Achtundvierzigster Einwurf des Ziegelbrenners

Der „Mehr Messe für das Publikum“-Einwurf

Liebe lesende Menschen,

ich steige gleich mal mit dem C-Thema ein – halte es aber kurz, versprochen!

Eine der hässlichsten Begleiterscheinungen der an Unannehmlichkeiten, Zumutungen und Quälereien nicht gerade armen Corona-Ära ist die Spiegelung der Zustände in der Sprache. Siehe dazu meinen neuesten online publizierten Text.

Das Kapitel ist zugleich der Einstieg in meine neueste gedruckte Publikation, „Wider den Impfzwang“. Mit einer allgemeinen Impfpflicht gegen das Coronavirus befände sich Deutschland übrigens in illustrer Gesellschaft: eine solche haben das lediglich formal demokratische Indonesien (vgl. u.a. die massiven Menschenrechtsverletzungen in Aceh), Mikronesien (das bis heute z.B. internationale Übereinkommen zur Verhinderung der Frauendiskriminierung und zum Schutz der Kinderrechte nicht unterzeichnete), die autoritären Republiken Tadschikistan und Turkmenistan. Und in Europa lediglich der Kirchenstaat Vatikan und Österreich. Die Impfpflicht führt eben in die wahre Gemeinschaft der Demokraten. Die Broschüre ist ab sofort lieferbar.

Schließlich hat man vor lauter Fixierung auf das Coronavirus die (potentiellen) anderen Pandemieviren übersehen. Die lauern bereits vor der Tür, das weiß jede*r, der/ die sich mit Zoonosen (von den Tieren auf Menschen übergehende Viren) beschäftigt. Siehe hierzu mein bisher nicht gedruckter Text.

Vor dem Hintergrund des anstehenden Bücherlager-Umzuges möchte ich nochmal verschärft auf meine Restposten und Sonderangebote hinweisen.

Da ich keine Lust habe, nur Maskenmenschen zu sehen uns selbst den ganzen Tag in Masken herumzulaufen – bei einer Impfquote in Bremen von über 90% – wird es leider keinen Ausverkauf im Bücherlager geben (es sei denn, die absurden und überflüssigen – vgl. Schweden etc. – Maßnahmen fallen noch, dann gibt es evtl. im April kurzfristig nochmal eine Gelegenheit).

Die Leipziger Buchmesse ist nun zum dritten Mal in Folge abgesagt, ersatzlos gestrichen. Das lässt sich nicht einfach auf die Pandemie schieben (wenn auch solche Großveranstaltungen aufgrund der schwierigen Planbarkeit es im Zeitalter der Pandemien generell schwer haben). Denn es hatten ausreichend Verlage die Teilnahme zugesagt, nur eine Handvoll (west-)deutscher Branchenriesen zierte sich. Im Zeitalter der Kontaktreduzierungen, Impfpflichten und schikanösen, für viele Menschen existentiell bedrohlichen Pandemie-Maßnahmen wird nun auch noch das Kopfkino geschliffen, übrig bleiben ungestillter Lesehunger und Wut. Denn wer wie ich sowohl die Frankfurter wie die Leipziger Buchmesse kennt, weiß was die Absage bedeutet. Ist die Frankfurter Buchmesse eigentlich nur noch Mega-Kommerz für die Branche (von ein paar Veranstaltungsformaten wie der „Gegenbuchmasse“ abgesehen), so ist Leipzig ein wahres, rauschendes und überaus lebendiges Lesefest für das Publikum der Buch-Liebhaber*innen. Das zeigt sich auch nach dem Umzug des Messegeländes an die städtische Peripherie in den unzähligen Veranstaltungen an verschiedensten Orten in der Innenstadt.

Leipzig, das ist weniger Verlagsmesse, das ist vor allem: Publikumsmesse. Der Buchhändler Thomas Mahr sprach zutreffend von einem „Bücherwunderland“: „Bücher brauchen ein eigenes Klima der Neugierde und des Hungers nach Wissen. Da, wo Orte der Bücher sind, befindet sich auch die Chance auf Bildung. Bücher sind nach wie vor anarchistisch…“ (Börsenblatt, 17.2.2022). Wenn also große westdeutsche Verlage im Zuge der Pandemie meinen, aus Effizienzgründen auf Leipzig verzichten zu können – so der doch gerade auf Lesenachwuchs angewiesene Oetinger Verlag -, so scheint mir das ein Eigentor zu werden. Und ja, die Betonung liegt auf „westdeutsch“. Die Buchmesse ist ein „Leuchtturm der Aufklärung“, so die Schriftstellerin Julia Franck – und genau den schleift man nun im Osten, um hinterher wieder über rechte, „national befreite Zonen“ zu zetern. Man muss es so sagen: die Absage ist ein verheerendes Signal für die Lesekultur, der nicht ganz unzutreffende Subtext lautet: die großen Verlage haben die kleinen Verlage – für die Leipzig besonders wichtig ist – ausgespielt, und der Westen wieder einmal den Osten. Hinzu kommt: das große plurale Bündnis #verlagegegenrechts, zu dem sich rund 180 Verlage und Kulturschaffende zusammengeschlossen hatten, hätte auf der Leipziger Buchmesse ein wichtiges, sicht- und hörbares Forum gefunden. Hätte. So ist diese Absage vor allem ein unseliges Signal, Sachsen und die Ex-DDR grundlos der rassistischen, homophoben, populistischen Gegenaufklärung zu überlassen. Man kann sagen: der Osten schafft sich ab. Oder wird abgeschafft.

Ein fatales Signal ist die Messe-Absage auch vor dem Hintergrund des forcierten digitalen Umbaus der Gesellschaft im Zuge der Pandemie. Welche Zukunft die Tech-Konzerne für uns vorsehen, liegt auf der Hand, es ist, in einem Satz zusammengefasst, der vollständig erfasste und verdatete, in jedem Atemzug überwachte, nur mehr aus optimierten Einzelteilen bestehende Maschinen-Mensch (Transhumanismus), dessen soziales Leben (und Kaufverhalten) sich vollständig im Internet und in den (a-)“sozialen“ Medien abspielt. Reales Zusammenkommen, das gilt zunehmend als Gefahr in einer Welt, da die Mitmenschen nur noch als Virenträger wahrgenommen werden, und es ist zu unsicher, auch, weil die sozialen Dynamiken zu schwer kontrollierbar sind, weil es zu Zusammenrottungen führen kann, weil Menschen gemeinsame Interessen erkennen könnten.

Dass es der Digitalisierung zu viel ist, dämmert Manchen, und in einem Vorsatz für 2022 bekundete rund ein Zehntel der Internet-Nutzer*innen, sich künftig teilweise oder gar ganz (14% dieser 10%) aus der digitalen Welt zurückziehen zu wollen. Auch wenn Viele dies am Ende nur kurz durchhalten, so drückt sich darin doch auch ein Begehren nach echten Zusammenkünften und nach analogen Erfahrungen aus. Davon profitiert auch das Medium Buch. In Frankreich etwa sind die Branchenumsätze um 20% gegenüber der Zeit vor Corona gestiegen. In Deutschland aber sagt man eine wichtige Messe, die diesen Bedürfnissen Rechnung tragen könnte, ab, weil sie sich angeblich angesichts der Absage von – ich wiederhole nochmal – rund einer Handvoll Buch-Großkonzernen nicht mehr lohnt.

Leipzig wäre nicht Leipzig, würde nicht ungeachtet der offiziellen Absage mit dem trotzig klingenden Motto „Leipzig liest trotzdem“ an über 40 Orten in der Stadt während der eigentlichen Messetage (17.-20.3.) gelesen. Und in diesen Tagen wollen kurzfristig auch über 50 Verlage eine alternative „PopUp-Messe“ stemmen, wobei die Veranstaltenden sich gegenüber den Verlagen, die zur Absage beitrugen, auffallend zurückhaltend äußern. Man wolle „ausdrücklich nicht gegen die Verlage, die aus nachvollziehbaren Gründen ihre Teilnahme an der Leipziger Buchmesse abgesagt haben“ agieren. Doch wie auch immer es mit der Leipziger Buchmesse weitergeht: es gibt sie noch, die guten Buchläden. Auch im Osten.

Zum Beispiel in Halberstadt: einer meiner Leser lobt die Buchhandlung „Schönherr“ (Hinter dem Rathaus 1): „Gute Fachkräfte, sehr gute Beratung, ebenfalls von der in derselben Straße befindlichen Junior-Buchhandlung, die zu Schönherr gehört und ausschließlich den jungen Leser anspricht. Kinder kommen und dürfen in aus den Regalen Bücher entnehmen, sich einen Platz suchen und dort im Buch blättern und lesen…Außerdem gehen die Buchhändler regelmäßig in die Grundschulen, um Bücher vorzustellen“.

Zum Beispiel in Erfurt: die Buchhandlung „Tintenherz“ (Krämerbrücke 29) ist trefflich benannt nach dem wunderbaren Kinderbuch von Cornelia Funke. Man erinnert sich an Meggies Bücherschatzkiste. Entsprechend lädt die Buchhandlung vor allem Kinder zu Phantasiereisen in die Welt der Bücher ein. Doch Vorsicht, „Tintenherz“-Leser*innen wissen: Bücher sind so kostbar wie gefährlich zugleich… Das Altstadt-Ambiente trägt zu einer besonderen Atmosphäre bei.Zum Beispiel – natürlich – in Leipzig. „Drift“, „Serifee“, „Wörtersee“ und „el libro“ habe ich schon vorgestellt in meinen Einwürfen, hier nun: „Rotorbooks“ (Kolonnadenstraße 5-7). Die Buchhandlung ist so hip, dass der altehrwürdige Merve Verlag (1970 gegründet) nach 50 Jahren in Berlin dort hingezogen ist. Folgerichtig haben Philosophie, Theorie, Politik in der ehemaligen Metzgerei ein starkes Standbein. Besonders sympathisch: der Schwerpunkt liegt bei den Druckwerken kleiner Verlage.

Und weil so viel von Leipzig die Rede war in diesem Einwurf, hier noch ein Nachschlag: „Polylogue“ (Merseburger Str. 47) ist eine ebenso gemütliche wie sympathische Buchhandlung, wie es sie wohl nur in einer derart buchaffinen Stadt geben kann. Es gibt eine Auswahl an französischer, englischer, spanischer und italienischer Literatur in Originalsprache. Originell ist das Konzept, neben einem Café finden auch Lesekreise in verschiedenen Sprachen, Lesungen, Kinderaktivitäten, Debatten, Sprachkurse, Workshops hier statt.

Und, was ist Eure Lieblingsbuchhandlung?

Es grüßt

Der Ziegelbrenner

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