Elfter Einwurf des Ziegelbrenners

Nachrichten aus Absurdistan

Die Tage werden kürzer – ein Anlaß, mal wieder zu einem Buch zu greifen. Nur noch bis zum 30. September gibt es bei Bestellungen ab 30 Euro Warenwert über unsere Homepage einen Bonus von 5 Euro auf unsere ohnehin bereits reduzierten Preise (Gutscheincode: lesesommer).

Deutschland tut etwas für die Menschenrechte – Schlepper werden nun militärisch bekämpft, damit die dummen, naiven Flüchtlinge sich ihnen nun nicht mehr anvertrauen, sondern zu ihrem eigenen Schutz besser im eigenen Land verhungern. „Geldgierig“ seien die Fluchthelfer (diesen etwas ehrhafteren Begriff hatten sie jedenfalls noch zu DDR-Zeiten inne). Ein kurioser Vorwurf im Kapitalismus, wo das Primat der Ökonomie alle menschlichen Bereiche dominiert und dieser Kapitalismus vielerorts über Leichen geht, ob im Menschenhandel, dem Bergbau oder der Textilindustrie. Das macht das Gebaren vieler Schlepper natürlich nicht sympathischer. Angesichts der europäischen Flüchtlingspolitik bleibt derzeit offenbar nur der Zynismus, zumal, wenn man sich, wie ich, in einem Forschungsprojekt intensiv mit Fluchtursachen und EU-Abschottungspolitik beschäftigt hat. Auch wenn die Festung Europa zwischenzeitlich ins Wanken zu geraten schien – der Wind dreht sich binnen Wochenfrist, die Grenzen werden bereits wieder geschlossen. Meine Literatur zum Thema Migration findet sich hier: http://www.ziegelbrenner.com/produktkategorie/buecher/migration-asyl/.

Eine wahre Propagandaschlacht lief in den deutschen Medien in den letzten Monaten zu Griechenland. Die total einseitige, uniforme Berichterstattung wurde dabei meist von keinerlei Fakten getrübt. Kommentatoren, denen es doch sonst so wichtig ist, auf den „demokratischen Souverän“ zu verweisen, schäumten und verunglimpften die griechische Regierung als Zocker, als pervers etc. Zugleich zeigt sich, dass eine Bewegung wie Syriza, die innerhalb der Logik von Staat und Kapital agiert, keine wirkliche Alternative bieten kann. Im Gegenteil hat Syiza bislang geschafft, woran Regierungen in den letzten Jahren scheiterten: die in Griechenland starken und schwer kontrollierbaren außerparlamentarischen Bewegungen zu neutralisieren und die bisherige Wirtschaftsordnung als alternativlos zu verfestigen. Schlimm genug, dass offenbar auch vielen Linken erst jetzt aufgeht, dass es eine wirklich andere, menschenwürdige Politik nur jenseits von Kapitalismus und Troika geben kann (siehe auch den lesenswerten Kommentar zu Syriza: http://kosmoprolet.org/nicht-syriza-erlitt-eine-niederlage-syriza-ist-die-niederlage.

Es gibt Fernsehsendungen, die man nicht braucht – so „Digitale Dissidenten“ (WDR, 12.8.2015): die Whistleblower fühlen sich verraten und verunglimpft, da sie doch nur ihre moralische Verpflichtung, sich gegen Machtmissbrauch zu engagieren (was ist nicht missbrauchte Macht?), auf sich nehmen. Sie betrachten sich als wahre „Stimme des Volkes“, als Verteidiger der Verfassung gegen die Regierung, als entschiedenere Demokraten (einen ähnlichen Tenor hatte die Buchkritik zu „Supernerds“ am 2.9. auf Deutschlandradio Kultur). Wenn diese „besseren Patrioten“ nun diejenigen sind, die uns vor dem allumfassenden staatlichen Zugriff auf die Bevölkerung bewahren wollen braucht es wahrlich keine Feinde mehr. Es zeigt sich: eine Staats- und Technologiekritik greift zu kurz, wenn sie sich auf der Kritik an der Datensammelwut von Behörden, Geheimdiensten und Konzernen beschränkt.

Wie mies die Arbeitsbedingungen bei Amazon sind, offenbarte kürzlich ein neuer Bericht. So werden Mitarbeiter angeleitet, schwer erkrankte Mitarbeiter bei ihren Vorgesetzten zu denunzieren. Doch wohlfeile Empörung ist das eine – auf das Kaufverhalten haben solche Fakten wenig Auswirkungen. So wuchs der Online-Versandbuchhandel 2014 im Vergleich zum Vorjahr um 6,5 Prozent – Amazon jedoch legte gleich 15,8% zu und konnte so weitere Marktanteile erobern (die Sprache des Krieges ist der öknomischen Barbarei durchaus angemessen). Wie steht es auf einem Werbeplakat des Diogenes Verlages: Sie müssen nicht zum Amazonas, wenn es Bücher um die Ecke gibt. Daher: think global, buy local!

Es gibt sie noch, die guten Buchläden. Gerade wurden die 108 besten Buchhandlungen der BRD mit dem Deutschen Buchhandelspreis ausgezeichnet – davon gleich 3, die auch LeserInnen meines Newsletters (die ungenannt bleiben wollten) gefallen. Die Welt ist in Bewegung, ob es um die Weltwirtschaft, globale Migration oder Klimawandel geht. Der Name „Drift“ für eine sympathische Buchhandlung in Leipzig ist daher programmatisch (Karl-Heine-Str. 83). Einen ebenso passenden, anspielungsreichen Namen hat auch der „Buchladen zur schwankenden Weltkugel“ in Berlin (Kastanienallee 85), der aus der Prenzlberg-Filiale des traditionsreichen linken Buchladens „Schwarze Risse“ hervorging. Und wenn es um wirklich charmante Buchläden gibt darf „Büchers Best“ im Dresdener Szene-Stadtteil Neustadt nicht fehlen (Louisenstr. 37) – ein Besuch lohnt schon wegen der Katze… Und was ist Eure Lieblingsbuchhandlung?

Und es gibt auch noch die mit viel Herzblut gemachten Printmedien. Z.B. die künstlerischliterarische Zeitschrift „Applaudisement“: http://ttr-verlag.jimdo.com/eine-zeitschrift/. Und ein neues, halbjährliches libertäres Zeitschriftenprojekt „Ne znam“: http://www.editionav.de/ne_znam.html (von dem mir bisher nur die Ankündigung vorliegt).

Ein verheerendes Signal für den Buchhandel gibt die Stiftung Lesen, die nun ausgerechnet den Discounter Aldi in einem priveligierten Projekt als „Leseförderer“ berät. Grundsätzlich ist es ja nicht verkehrt, dass Bücher an vielen Orten zugänglich sind. Das eine derartige Stiftung aber nun ausgerechnet einem Konzern wie Aldi (und auch Discounter Lidl in einer ähnlichen Aktion) zum Imagegewinn verhilft, während viele kleine Buchhandlungen sich einer übermächtigen strukturellen Veränderung (u.a. aufgrund von Amazon, aber auch von steigenden Mieten etc.) ausgesetzt sehen und vielfach aus ökonomischen Gründen vor einer Aufgabe stehen, ist kritikwürdig. Vielleicht aber auch konsequent – die albernen 99-Cent-Preise vieler Verlage symbolisieren ja eine Verkaufspolitik, die sich vom Pfund Butter nicht mehr unterscheidet. Im antiquarischen Bereich läuft es nicht besser: bei der Plattform Booklooker dürfen Kunden „Preisvorschläge“ machen. Ich bin gespannt, wie mein Vermieter reagiert, wenn ich ihm einen „Preisvorschlag“ unterbreite. Solange solches von wohl wenig Erfolgsaussichten gekrönt ist bleiben meine – ohnehin schon reduzierten – Ausverkaufspreise jedoch Festpreise!

Mehr absurde Nachrichten aus der Medienwelt: der Pumuckl war vermeintlich zu dick, jedenfalls in der Zeichentrickserie (nicht in den Buchillustrationen). Nun kommt eine neu illustrierte Pumuckl-Ausgabe in den Handel, und es wird ernsthaft vehement um den korrekten Body-Mass-Index gestritten. Dabei bleibt als einziger möglicher Kommentar eigentlich nur: fight lookism. Immerhin, die KidsVerbraucherAnalyse 2015 stellt fest: „Kinder lieben immer noch Gedrucktes“ (http://www.boersenblatt.net/artikel-kidsverbraucheranalyse_2015.1016593.html).

Meine Einwürfe bekommen weiterhin viel Lob, werden als „toll“ und „immer wieder lesenswert“ bezeichnet. Daher, liebe LeserInnen meiner Einwürfe, hier als kleine Anregung: gerne dürfen meine Texte auch über Eure/ Ihre Malverteiler weitergeleitet und auf Internetseiten gestellt werden.

Es grüßt Der Ziegelbrenner

Jetzt stöbern auf http://www.ziegelbrenner.com!

PS: es wird immer wieder gefragt, warum Anares nun der Ziegelbrenner heißt. Nun, weil es keine Föderation mehr gibt, auch keinen größeren Projektzusammenhang vor Ort, ebenso kein Bemühen mehr um eine Zukunftsperspektive als Medienversand und auch keine Buchankäufe mehr (allenfalls Buchspenden nehme ich noch an). Sondern nur noch mich und den Ausverkauf. Allerdings wird es nochmal einen gedruckten Katalog geben, und als verlegerisches Projekt liegen noch Buchvorhaben in der Schublade. Dazu dann beizeiten mehr.