Zwölfter Einwurf des Ziegelbrenners

Buch? Handel? Zukunft? – Anmerkungen zur Buchkultur , Teil I

Wann, wenn nicht in Herbst und Winter, ist Lese-Zeit? In den letzten Monaten brachen auch meine Verkäufe ein. Der Abverkauf gestaltet sich sehr schleppend. Doch es wäre schön zu sehen, dass es noch Menschen gibt, die Interesse an diem vorhandenen, reichhaltigen Bücher-Fundus haben. So wünsche ich mir zum Jahresende noch viiiele Buchbestellungen, auf dass trotz kalter Jahreszeit die Bücherberge dahinschmelzen.

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Neulich in der Uni-Buchhandlung: ein Viertel der Ladenfläche ist jetzt umgebaut zu einem Shop mit Uni-Devotionalien – T-Shirts, Umhängetaschen, Schals, Tassen. Bald wie ein Fußball-Fanshop.
Es gibt weiterhin: eine ganze Reihe Drehständer mit Postkarten, die lustig sein wollen; mikrowellenbeständige Stofftiere; Koch- und Gartenbücher; die Spiegel-Bestsellerliste; einen Grabbeltisch mit günstigen Sonderausgaben in China gedruckter Literaturklassiker – Kafka, Dostojewski etc., in diesem trostlosen Ambiente hat das schon eine vermutlich unfreiwillige Ironie. Verloren in der hinteren Ecke stehen dann ein paar halbleere Regale mit wissenschaftlicher Literatur, überwiegend bestückt mit den Pflichtlektüren, die die Profs im Semester gelesen haben wollen. Eine Handvoll Bücher Gender Studies. Ein bisschen Bourdieu, Foucault, Habermas. Auch Naturwissenschaften – die Uni gibt viel darauf, Exzellenzuni sein zu wollen. Die klassischen Reihen mit den Büchern von Verlagen wie Suhrkamp, Merve, Junius sucht man vergebens. Deutlich zeigt sich die Krise – bloß welche? Es handelt sich offenbar um eine multiple, grundlegende Krisenerscheinung: Die der Uni, des politischen Bewusstseins, der „Intelligenz“, des Buchhandels.

Kein Zweifel: wenn der Buchhandel dem „Markt“ überlassen bleibt, wird er in absehbarer Zeit in der bisher bekannten, beinahe flächendeckenden Breite nicht mehr vorhanden sein. Ein verminderter Mehrwertsteuersatz und die Buchpreisbindung reichen nicht aus. In bisher selten zu hörender Deutlichkeit sprach Verleger Jochen Jung dies im Buchhandels-Fachmagazin „Börsenblatt“ aus: der Buchhandel ist, ähnlich beispielsweise dem Theater, Teil des „Kulturversorgungssystems und als solches subventionsbedürftig“. Für die Uni-Buchhandlungen kommt hinzu: gerade jüngere Menschen recherchieren viel übers Internet, haben eine Affinität zu E-Books (allein der Name klingt schon irgendwie hässlich). Und das zunehmend verdichtete Studium, Nebenjobs, steigende Mieten etc. lassen wenig Zeit und Geld für Buchlektüren übrig. Da ich selbst gerade ein Studium begonnen habe, spüre ich diese Entwicklungen am eigenen Leib. Klar, ein paar Lesungen und ein bisschen mehr „Kundenorientierung“ helfen allein wenig angesichts dieser grundsätzlichen Krise. Doch wer seine Buchhandlung, ähnlich einem Kaffeegeschäft, nun zur beliebigen Alles-Handlung ausbaut – von der Unterwäsche bis zu Reisen – hat im Grunde selbst schon aufgegeben. Immerhin – diese Buchhandlung existiert. Noch. Letztens kam ich wieder bei einem dieser aus dem Boden sprießenden Pfandleihhäuser vorbei, die ihren Profit aus der Not anderer Menschen beziehen und dies noch als Wohltat ausgeben. Vor einiger Zeit war an diesem Standort noch eine wunderbare Büchergilde-Buchhandlung, die von einer engagierten Buchhändlerin geführt wurde. Vom Buchhandel zum Leihhaus – geht´s symbolischer?

Freilich, wer wird die guten Bücher, die zu lesen sind, künftig noch schreiben? Die unter EU-Kommissionspräsident Juncker geplante Änderung des Urheberrechts ist ein Rückschritt in feudale Zeiten: nur wer privilegiert ist (wer Mäzenaten gefunden hat oder aus reichem Elternhaus ist, geerbt oder reich geheiratet hat) wird es sich dann noch leisten können, zu schreiben. Denn für kreatives Schreiben braucht es Muße, also auch eine gewisse materielle Sicherheit – von Ausnahmen abgesehen, die es natürlich immer geben wird. Die Vielfalt kreativen Schaffens und Publizierens ist bedroht, wenn Menschen nicht mehr von geistiger Arbeit leben können sollen. Diese Gefahr droht gleich von zwei Seiten: denn die datensammelwütigen Konzerne machen gegen Bares viele Informationen über Kauf- und Lesegewohnheiten zugänglich – gerade wenn es schwieriger werden wird, vom Schreiben zu leben, ist zu befürchten, dass künftig in erster Linie solche Bücher geschrieben werden, bei denen mittels bestimmter Kriterien auch eine entsprechende Verkäuflichkeit anzunehmen ist. Geistige Monokultur wird die Folge sein.

Dabei sollte es hellhörig machen, wenn gerade jene multinationalen Konzerne wie Amazon, Apple, Facebook und Google so hartnäckig auf eine „Liberalisierung“ pochen, die auch den Freihandel befürworten (TTIP lässt grüßen) – und die längst andere Geschäftsmodelle haben: denn die Botschaft der vermeintlichen Gratiskultur (in der es zudem auf der anderen Seite einen uferlosen Produkt- und Markenschutz gibt) ist: wenn es nichts kostet, werden wir selbst zum Produkt (bzw. de Informationen, die wir liefern und die dann verkäuflich sind). Es ist bezeichnend, dass jene, die eifersüchtig ihre Algorithmen bewachen, zu Ausverkäufern kultureller Produktivität werden oder sie doch zumindest versuchen, das intellektuelle und kulturelle Angebot verknappen. Zu befürchten ist dann eine Monopolisierung des Wissens, mindestens aber eine stärkere Lenkung und Kontrolle, bis hin zur Zensur (so sperrte Apple bereits einige Bücher in seinen Apps, die z.B. „zu freizügig“ waren) in den Händen weniger globaler Akteure – und eben dies ist ja auch das Ziel, zum Wohle des maximalen Profits. Schalten wir also den vorauseilenden Gehorsam in unseren Köpfen ab, verweigern wir uns. Warum sollten wir den Konzernen immer mehr und detailiertere Informationen über das geben, was wir tun und was wir mögen? Die Konzerne brauchen uns – wir aber nicht die Konzerne. „Dass Du Dich wehren musst, wenn Du nicht untergehen willst, das musst Du doch verstehen“ (Bertolt Brecht).

Es gibt sie noch, die guten Buchläden. Nicht zuletzt im Osten des Landes. Maren Böhm empfiehlt das „Buchlokal“ in Berlin-Pankow (Ossietzkystraße 10): „Die Präsentation der Bücher ist sehr liebevoll. Wunderbar kompetente und freundliche Buchhändlerinnen arbeiten dort“. Ein Kunde, der nicht genannt werden möchte, ist angetan vom „Buchladen und Antiquariat Fürstenwerder“ (Nordwestuckermark, Berliner Straße 4), die „feine Bücher, alt und neu, guten Kaffee frisch gemahlen, Wein und Vinyl, Sitzen, Klönen und Rausgucken“ bietet. Mir fällt dazu die Buchhandlung „Wörtersee“ in Leipzig (Peterssteinweg 7), quasi ein Beiboot der ebenfalls in Leipzig ansässigen Connewitzer Verlagsbuchhandlung, ein. Einer kleinen Wunderkammer gleich gibt´s hier ausgesuchte Kinderbücher, moderne wie antiquarische Bücher, außergewöhnliche Druckwerke der nahegelegenen Hochschule für Graphik und Buchkunst, alles sehr schön arrangiert.

Und was ist Eure Lieblingsbuchhandlung?

Es gibt im deutschsprachigen Raum nur wenig Orte oder Gebäude, die an die vielfältige Geschichte libertärer, linksradikaler Bewegungen erinnern. Das Geschichte immer die Geschichte der Herrschenden ist wird gerade an der Denkmalskultur sichtbar. Umso schöner, dass der von AnarchistInnen gegründeten Bakuninhütte in Thüringen nun der Denkmalstatus verliehen wurde.
Ich gratuliere! Weitere Infos: http://www.bakuninhuette.de/.

Es grüßt Der Ziegelbrenner

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PS: „messerscharfe Analysen, wie immer“ – meine Einwürfe werden viel gelobt. Danke für dieses Feedback. Über Lob & Kritik freue ich mich immer – und natürlich freue ich mich auch, wenn alle, die meine Texte und Kommentare mögen, diese auch eifrig in den sozialen Medien, Mailinglisten etc. posten und weiterleiten. Auch dafür nochmal besten Dank!