Fünfzehnter Einwurf des Ziegelbrenners

Buch? Handel? Zukunft? – Anmerkungen zur Buchkultur, Teil III

Steve Jobs, verstorbener Gründer des Computerunternehmens Apple, gab seinen Kindern weder iPad noch iPhone – also von seinem Konzern entwickelte Produkte – in die Hand. Die Produkte, die ihn reich machten, betrachtete er für das Aufwachsen seiner Kids als kontraproduktiv. Was tat man abends im Hause Jobs? – Bücher lesen! (siehe die Jobs-Biographie von Walter Isaacson).

Bücher sind zeitlos. Sie haben – Sachbücher sind hier vielfach ausgenommen – kein Verfallsdatum und brauchen kein Update. Steve Jobs wusste: Bücher machen intelligent, trainieren das Gedächtnis, machen glücklich, regen Phantasie und Kreativität an, beflügeln die kindliche Entwicklung, nicht nur was die Sprach- und Schreibfähigkeit angeht. Laut einer aktuellen Studie der „Stiftung Lesen“ sind Kinder, denen regelmäßig vorgelesen wird, fröhlicher, selbstbewusster und sozial integrativer (Bremen, Sitz des Ziegelbrenners, kann sich übrigens mit dem Titel „Vorlesehauptstadt 2015“ schmücken). Und „wo Bücher im Haus sind, herrscht ein ganz anderer Anspruch, über die Welt nachzudenken“, so der Psychologe und Hirnforscher Hans-Georg Häusel.

Im Gegensatz beispielsweise zu Programmkinos und Theatergruppen ist die Kultursparte Buch bislang unsubventioniert. Mein Ruf nach einer Subventionierung stieß in den letzten Einwürfen teils auf Unverständnis, da es sich doch um ein „kaufmännisches Gewerbe“ handele, das eine „Gewinnerzielungsabsicht“ habe. Ist das so? Meine eigene ehemalige Buchhandlung habe ich immer zuerst als sozialen wie politischen Ort definiert. Zweifellos sind auch Bücher und Zeitschriften mit emanzipatorischem Inhalt immer noch eine Ware, jedoch hapert es oft mit der Nachfrage, der Abverkaufsquote, der Rendite, eben: mit der Mehrwertproduktion. Der Ausschlag des Pendels zwischen vielfältiger, anregender Buchkultur einerseits und uneingeschränkter Kommerzialisierung andererseits ist vorgezeichnet, wenn sich nicht das Verständnis einer stärkeren, notwendigen Förderung des Kultursegments Buch durchsetzt.

Ich möchte das Medium Buch keineswegs totsagen. Obwohl der Buchgroßhändler Libri seine Internet-Präsenz 2012 in ebooks umbenannt hat und auf seiner Seite bei Titelsuchen seither zuerst die digitalen Ausgaben anzeigt: der Anteil von e-books stagniert bei rund 20%. Und aufgrund erbärmlicher Verkäufe hat die große britische Buchhandelskette Waterstones (300 Filialen) die Kindle-Lesegeräte aus dem Angebot genommen. Vielleicht ein ermutigendes Signal für die Buchladen-Landschaft. Denn „auf Amazon mit seinen knappen Informationen neue Bücher zu entdecken, ist extrem schwierig. Stöbern, blättern, anlesen, sich austauschen und vielleicht Unerwartetes finden: Für diese schönen, langsamen, halb müßigen Dinge ist eine gute Buchhandlung der einzige, ideale Schauplatz. In der Hinsicht ist der traditionelle Shop dem Online-Business weit überlegen“ (Neue Zürcher Zeitung, 27.2.2015).

Ein Selbstläufer aber ist das Buch trotz seiner Tradition keineswegs. Es braucht unseren aktiven Einsatz. Zu kritisieren ist daher auch die Entwicklung, dass immer mehr Literatursendungen in Hörfunk und Fernsehen gestrichen oder auf unattraktivere Sendeplätze verbannt werden. Auch Zeitungen streichen ihre Literaturberichterstattung immer weiter zusammen. Eine in Baden-Württemberg durchgeführte Petition gegen diese Entwicklung wurde gerade einmal von 300 Personen unterzeichnet. Freilich, eine solche Petition wirkt arg verstaubt, sie ist nicht gerade die originellste Protestform – was wären Eure Ideen, um der Forderung „Mehr Buch & Literatur in Medien & Öffentlichkeit“ Nachdruck zu verleihen?

Bereits 2013 hat sich Amazon-Chef Jeff Bezos die Zeitung „Washington Post“ zugelegt. Branchenbeobachter fragten sich damals, was Bezos nun mit einem Analog-Medium will. Mittlerweile ist klar: die „Post“ kommt auf alle Amazon-Lesegeräte. Ob eine solche Interessen-Gemengelage der Qualität des einst als Flagschiff des investigativen Journalismus gerühmten Blattes zugutekommt, sei dahingestellt. Amazon- oder kapitalismuskritische Berichte wird man wohl auf Dauer nicht mehr erwarten dürfen. Infrage gestellt werden darf auch, ob die nun von der „Post“ vorgenommene Wahl des „Sachbuchs des Jahres“ wirklich unabhängig ist, oder eben Verkaufsförderung für die Amazon-Homepage (und, wenn wir an das Gerangel um Rabatte zwischen Verlagen und Amazon denken, Belohnung für besonders großzügige Rabattierung).

Wie viele KollegInnen bin ich seit Jahren (nach Schließung meines Ladens)  vom Internet abhängig – und das heißt vor allem von Amazon/ Abebooks/ ZVAB. Die Verschlechterung der Suchoptionen beim ZVAB (nunmehr nur noch Anhängsel der Amazon-Tochter Abebooks), gestiegene und nun seitens ZVAB automatisierte Versandkosten sowie der Wegfall der Paypal-Zahlungsoption dürften Mitgründe sein für Umsatzrückgänge von bis zu 70% in den letzten Monaten. Die verbliebenen Umsätze werden durch steigende Gebühren weiter geschmälert. Dieses Minus wird durch eine eigene Antiquariats-Webpräsenz bei weitem nicht ausgeglichen – obwohl z.B. die Versandkosten bei Bestellungen über die eigene Homepage in vielen Fällen deutlich günstiger sind. Ein Zurück zu den Ladengeschäften macht nur in wenigen Fällen Sinn – zu verheerend wurde die ökonomische Basis dieser Geschäftsform seit Beginn der 2000er Jahre geschliffen.

Gerade las ich „Die Stadt der träumenden Bücher“ von Walter Moers: „Und da waren sie, die ´träumenden Bücher´. So nannte man in dieser Stadt die antiquarischen Bestände, weil sie aus der Sicht der Händler nicht mehr richtig lebendig und noch nicht richtig tot waren, sondern sich in einem Zwischenzustand befanden, der dem Schlafen ähnelte. Ihre eigentliche Existenz hatten sie hinter sich, den Zerfall vor sich, und so dämmerten sie vor sich hin… Nur wenn ein Buch von suchender Hand ergriffen und aufgeschlagen, wenn es erworben und davongetragen wurde, dann konnte es zu neuem Leben erwachen. Und das war es, wovon all diese Bücher träumten“ (S.42/ 43). Auch in diesem vor gut 10 Jahren erstmals erschienenen Buch gibt es allerdings offenbar, gemessen am Interesse, gigantische Überbestände an Büchern – auf ihnen gründen die gigantischen, kilometerlangen unterirdischen Katakomben. Von dem eigentümlichen Leben in dieser Unterwelt erzählt Moers wortreich. Doch das ist eine andere Geschichte…

Zurück zur gegenwärtigen Medienbranche. Zumindest im Hörbuch-Bereich wird nun das Bundeskartellamt aktiv: eine langjährige Vereinbarung zwischen Amazon und Apple schränkt die Absatzmöglichkeiten über andere Handelswege stark ein. „Es muss sichergestellt sein, dass den Hörbuchverlagen für den Absatz ihrer digitalen Hörbücher hinreichende Ausweichalternativen zur Verfügung stehen“, so Kartellamts-Präsident Andreas Mundt. Daher werden diese Vereinbarungen nun geprüft. Amazon, die Amazon-Tochter Audible und Apple haben bei Hörbuch-Downloads inzwischen einen Marktanteil von über 90%. Das zum Mythos „freier Markt“.

Apropos „freier Markt“: der Vertrieb eines Anfang 2015 publizierten Sammelbandes „Ökonomie und Gesellschaft“ der Bundeszentrale für politische Bildung wurde vom Innenministerium auf Betreiben der Arbeitgeberverbände für einige Monate gestoppt – es werde zu „einseitige Propaganda gegen die Wirtschaft“ betrieben. Die Schriften der Bundeszentrale werden vor allem auch in Schulen eingesetzt – das Verbreitungsverbot selbst ist ein schönes Lehrbeispiel dafür, wie in der „freiheitlichen Demokratie“ mit missliebigen kapitalismuskritischen Informationen umgegangen wird (mittlerweile ist der Band offenbar wieder lieferbar).

Abschließend einladen möchte ich noch zu einer Veranstaltung am 27.1. im Infoladen Bremen. Infos siehe https://www.unrast-verlag.de/veranstaltungen/aktuelle-veranstaltungen/2327-buchvorstellung-mit-rehzi-malzahn-dabei-geblieben

Es grüßt Der Ziegelbrenner

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