Wirtshauswesen-Kleinhandel-Trinkgewohnheiten im 19. Jahrhundert – Im Dunstkreis des Reichensteiner Branntweins

Beschreibung

Der zufällige Fund einer spröden Quelle erlaubt uns eine genaue Einsicht in die Branntweinproduktion und -vermarktung in den 1850er und -60er Jahren. Die Auswertung eines Fässer-Konto-Buches ergab, dass in dem Reichensteiner Gutsbetrieb mittlerweile eine enorme Menge Branntwein von hochwertiger Qualität aus Roggen (Korn) hergestellt und innerhalb eines großen Absatzgebietes systematisch vertrieben wurde. Das mit vielen Fotos und Dokumenten illustrierte Buch erlaubt einen intimen Einblick in den Branntweinkonsum um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Zeitgenössische Presseberichte erschließen dem Leser das gesellschaftliche Umfeld, in dem der Schnapskonsum zum Arbeitsalltag gehörte. Angesichts der Arbeitsverhältnisse und der oft bedrückenden Wohnverhältnisse – Lauscher erwähnt diese Lebensbedingungen erfreulicherweise – boten der Schnaps bzw. das Gasthaus oft kleine Fluchten: je schwerer die Lebensverhältnisse, deste höher der Alkoholkonsum, diese simple Tatsache können Abstinenzler-Aktivitäten aus der Arbeiterbewegung („Arbeiter, meidet den Schnaps“) seinerzeit nicht auflösen. Der Autor geht auf die Geschichte etlicher regionaler Gasthäuser ein, die oftmals nicht zuletzt von Witwen betrieben wurden (eine Witwenrente gab es nicht, so dass die Schankwirtschaft eine Möglichkeit der Existenzsicherung bot). Zudem war damals das Spektrum an Zerstreuungen deutlich kleiner als heute – so gab es teilweise in den Dörfern im Schnitt eine Gastwirtschaft auf nicht einmal 200 Einwohner. Diese Gaststätten waren Zentren des örtlichen Lebens, eingewoben in das Vereinsleben, auf das der Autor ebenfalls eingeht, und sie boten teils auch eigene Veranstaltungen an, um den Besuch und den Konsum von Hochprozentigem zu fördern. Die Geistlichkeit sah dies zwar offiziell nicht gerne, zechte aber eifrig mit, wie Lauscher nachweist. Dies alles sind Fakten, aus denen es der Autor schafft, unterhaltsame Geschichtsliteratur zu formulieren.