9. Juni 2025 Siebenundsechzigster Einwurf des Ziegelbrenners Der „Utopie, sì!“-Einwurf Neulich in der Bahn: „Bahnfahren ist Klimaschutz“ lese ich. Nein: Nichtfahren ist Klimaschutz. Schon hier beginnt die Mogelpackung. Mobilität ist nie Klimaschutz. E-Antriebe sind es auch nicht – zur Gewinnung von 1 kg Lithium braucht es 2.000 Liter Wasser. Wie wahr ist doch dieses gesprayte Graffiti, dass ich vor einiger Zeit sah: „Eure Zukunft ist unser Alptraum“ (Graffiti). Nie war die Erde seit Beginn der Wetteraufzeichnungen so heiß wie jetzt. Fraglich ist, ob noch genug Zeit ist, die „Zukunft zurückzuholen“ (wie es unlängst auf Wahlplakaten zu lesen war). Zumal bei der jetzigen politisch-gesellschaftlichen Konstellation. Da ist es tröstlich, dass wenigstens die Literaturszene „antiautoritär und machtkritisch bleibt“, so wenigstens die „taz“ anlässlich der Leipziger Buchmesse 2025. Damit die Dystopie einer rechten Zeitenwende nicht widerspruchslos bleibt, braucht es Widerstand auf allen Ebenen. Gegen gesellschaftliche Spaltungen, Hass, Ausgrenzungen, Abschiebungen, Sozialabbau, die Militarisierung der Gesellschaft und die Abgabe menschlicher Handlungskompetenz an eine „künstliche Intelligenz“, die nur zwei Ziele hat: die Reichen noch reicher und mächtiger und die staatliche Kontrolle total zu machen: der konforme Mensch soll berechenbar werden wie eine Maschine. Dies zeigt: es ist höchst unverantwortlich, jenen, die diese zerstörerische technologisch-politische Offensive betreiben, die Macht zu überlassen. Wo die Politik so trostlos ist, wie sie ist, da ist es nicht erstaunlich, wenn sich die Menschheit in andere Welten flüchtet. Apropos „andere Welten“: „Ohne Utopien bleibt die Welt ein Dreckhaufen“, proklamierte die „Gruppe Spur“ schon Anfang der 1960er Jahre – das gilt heute, wortwörtlich (siehe die Wunden, die der Raubbau um Ressourcen in die Erde reißt), mehr denn je. Weshalb dieser Einwurf Literaturtipps zur Utopiegeschichte gewidmet ist. Manche dieser Utopien sind schon angejahrt und stammen aus der Zeit des Frühsozialismus. Doch es geht nicht um Flucht, sondern um Veränderung, um Emanzipation, um eine bessere Welt, ohne Staat, Kapital & die Superreichen und ihre (ideologischen, ökonomischen und kriegstauglichen) Waffen. Eine gewaltlose, lebensbejahende, enkeltaugliche Alternative ist der Kultur des Todes & der globalen Zerstörung entgegenzustellen. Die in diesen Texten versammelten Ideen & Projekte bezeugen: eine andere Welt, ohne Ausbeutung, Ausgrenzungen, Unterdrückung und Vernichtung ist möglich – in diesem Sinne sind utopische Werke immer auch Ausdruck von Suchbewegungen einer lebenswerten Gesellschaft (nebenbei zeigt bereits diese kleine Buchauswahl, dass Der Ziegelbrenner so etwas wie die Fachbuchhandlung für utopisches Denken ist!). Hier nun die Buchauswahl in Sachen Utopie: Bildet Großhaushalte & Nachbarschaften! P.M. zeigt, wie es geht… Utopie – ein zeitloses Anliegen, wie Rolf Schwendter meint. Über utopische Kommunen. Die Skizze einer christlich-kommunistischen Gütergemeinschaft aus dem frühen 17. Jahrhundert. Über den Sozialreformer Robert Owen. Die Kunde von Nirgendwo – ein utopischer Klassiker! Dieser Roman ist zugleich ein Dialog über den im Menschen unausrottbaren Traum von Freiheit und dessen Verwirklichung am Horizont der Zukunft. Heinrich Vogelers Utopie einer Welt voller Frieden & Gerechtigkeit. George Sand kämpfte für die Utopie von Freiheit und Gleichheit – beides ist auch bald 200 Jahre später global noch ein ferner Traum. Der Klassiker feministischer Utopiegeschichte schlechthin ist Christine de Pizans „Buch von der Stadt der Frauen“.Diese CD stellt u.a. G. Winstanley vor. Er sah bereits im 17. Jahrhundert Eigentum. Lohnarbeit sowie das System des Kaufens und Verkaufens als Wurzeln des Übels! Auch ökologisches Denken war einst eine Utopie, wie dieser ideengeschichtliche Beitrag von Jost Hermand zeigt. Helmut Thielen plädiert für eine Utopie der Befreiung, als Synthes sozialistischer und anarchistischer Ansätze. Wolfgang Both liefert einen Überblick über sozialistische Utopien. Ein verblüffender Blick in das Jahr 2025, auch in obigem Buch von W. Both erwähnt! Letztlich gescheitert (zerrieben zwischen Faschismus und Stalinismus), doch eine beeindruckende, zumindest phasenweise realisierte Utopie war Spanien während der Revolution 1936. „Leben ohne Chef und Staat“ – bis heute ein Kernbestandteil utopischer Entwürfe. Nicht immer nur dagegen – Horst Stowasser zeigt in Anarchie, wie eine anarchistische Gesellschaft aussehen könnte und stellt u.a. Ansätze einer alternativen, kollektiven Ökonomie vor. Gegenseitige Hilfe – eine vorweggenommene Utopie der Humanität, von Peter Kropotkin Eine Utopie in Venezuela im 21. Jahrhundert? JA, das ist die Großkooperative Cecosesola Im heutigen Israel scheint die Utopie der Kibbuzim fast vergessen, doch es gibt Reaktivierungsbemühungen. Ein religionsgeschichtlicher Beitrag weist auf die egalitären Geschlechterverhältnisse in der israelisch-palästinensischen Frühzeit hin. Theodor Hertzkas „Freiland“ darf hier natürlich nicht fehlen! Als Marxist betrachtete Manfred Hahn Utopien in der Prämisse, wie sie auf Marx hinführten – eine Reduktion, doch ist seine Archivalienkunde bis heute ein wichtiges geschichtswissenschaftliches Hilfsmittel. Richard Saage ist einer der führenden Utopie-Forschenden im deutschsprachigen Raum und gibt hier einen wissenschaftlich-historischen Überblick. O.k., dieses nach rund 100 Jahren immer noch überzeugende Plädoyer für einen humanistischen Sozialismus stelle ich an dieser Stelle nicht das erste mal vor – was seinen Grund hat! Die – in den Corona-Jahren recht pauschal als „schwurblerisch“ betitelte – Alternativbewegung ist ein alter Hut, wie dieses Buch zeigt. Auch dabei ging es immer um ein anderes, besseres, natürlicheres Leben. Konkrete Utopie – das heißt auch immer, an die Veränderungsmöglichkeit und Handlungsmacht der Menschen zu glauben: Lasst es glitzern … Eine konkrete Utopie ist auch der Pazifismus, denn Waffen sind nie die Lösung, sondern immer Teil des Problems, wie schon Tolstoi wusste. Ein Plädoyer für ein utopisches Denken, das Utopie nicht mit „Illusionismus“ übersetzt, sondern den emanzipatorischen Antrieb der utopischen Entwürfe betont. Und hier ein Plädoyer für ein gelingendes Miteinander, sorgendes Wirtschaften und eine neue Politik.Die Bedingungen einer Utopie sind in Rojava denkbar ungünstig, dennoch richten sich hierhin viele Blicke auf der Suche nach Möglichkeiten eines besseren Lebens. In Kommunen leben – auch dies kann ein Stück gelebte Utopie sein, wie dieses Buch zeigt, das auch die Herausforderungen nicht unterschlägt. Eine reale Utopie über eine andere Schulform! Eine soziale Medizin ist leider auch 25 Jahre nach Erscheinen dieses Buches eine uneingelöste Utopie, anscheinend ferner denn je… Zum Schluss ein Kinderbuch – eine Utopie von James Krüss. Über weitere Tipps zu empfehlenswerter utopischer Literatur freue ich mich stets. Ich hoffe, dass aber auch diese kleine Auswahl schon Anregungen & Inspirationen für eine bessere Welt – nicht zuletzt im Zusammenleben – bereithält. Wie gesagt: eine andere Welt ist möglich – nein, nötig! Was gibt es sonst? Das „Bundesamt für magische Wesen“(!) empfiehlt die von mir im 2022 veröffentlichten Buch „Nie wieder Krieg ohne uns“ veröffentlichten Erkenntnisse, die „die geistige, seelische und körperliche Unversehrtheit junger Dschinnen, Vampire, Elfen und Werwölfe sowie der indigenen Bevölkerung stabilisieren und bereichern können“. Das Amt lobt eine „in ihrer Bedeutung für die allgemeine Bildung und Integration der Vampire, Gestaltwandler sowie Werwölfe, aber auch Studenten und Studentinnen der Geschichts- und Politikwissenschaften nicht hoch genug einzuschätzende Publikation“. Ja, was es nicht alles gibt! Eine Veranstaltung zu „Nie wieder Krieg ohne uns“ ist hier dokumentiert. Weitestgehend verdrängt wurde, dass unlängst die Ausrufung der Corona-Pandemie sich zum 5. Mal jährte. Dabei – und gerade aufgrund der aktiven Aufarbeitungsverweigerung – sind die gesellschaftlichen Folgen für all jene, die sehen wollen, bis heute sichtbar. Ich habe das Thema in einem zweiteiligen Artikel (Teil 1 und Teil 2), veröffentlicht. Wenig erstaunlich, dass der Text den Widerspruch von jenen erregt, die ihren Anteil am pandemischen Mitläufertum bis heute mit beharrlicher Realitätsverweigerung verleugnen. Nachdem zuletzt die Berliner Buchhandlung Tucholsky aufgrund einer fast verdoppelten Miete aufgeben musste, ist nun die Berliner Kulturkneipe WATT ist von der Schließung bedroht. Selten wohl waren angesichts der momentanen kulturell-politischen Tristesse solche Orte so wichtig – und so bedroht! Vielleicht ist eben diese Entwicklung aber auch nicht erstaunlich, sondern eine logische Konsequenz der „neuen Medien“: die Menschheit verdummt – logisch denken, Probleme lösen und Informationen verarbeiten konnten die Menschen zuvor besser, so eine Studie, die warnt: kognitives Denken wird zum Auslaufmodell! Und dabei sind die erst in den nächsten Jahren sichtbaren Folgen einer – vermeintlich – „künstlichen Intelligenz“, die das menschliche autonome Denken an technologien abgibt, noch gar nicht enthalten. Wir glotzen, switchen, scrollen, chatten und googeln uns blöd! Briefe hingegen sind wie Printzeitungen vom Aussterben bedroht – die dänische Post stellt Ende 2025 im Zuge des digitalen Wandels die Briefzustellung komplett ein. Es geht auch anders: die Berliner Umweltzeitung „Der Rabe Ralf“ aktiviert zwar nun auch seine Internetpräsenz, hält aber – hinsichtlich der genannten Studie zur Informationsverarbeitung absolut folgerichtig – in erster Linie eine gedruckte Zeitung weiterhin für sinnvoll und nötig. In diesem Sinne: lebt & lest! Der Ziegelbrenner www.ziegelbrenner.com info@ziegelbrenner.com PS: damit der Einwurf auch in Zukunft weiter verbreitet werden kann: jetzt mit PayPal Geld spenden. Vielen Dank!