Siebter Einwurf des Ziegelbrenners

Hoch die Spassguerilla!

Wochenlang treibt das Land die Frage um, ob der griechische
Finanzminister nun tatsächlich einen Stinkefinger gezeigt hat, oder ob
dies nur ein Fake war. Ein Kabarettist behauptet, er haben die Geste in
das Video einmontiert, der Minister dementiert, der Kabarettist soll
seinen Beitrag gefälscht haben… – sehr schön, so muß Spassguerilla
funktionieren: als Entlarvung eines medialen und politischen Betriebes,
in dem es nicht um Information und Aufklärung geht, sondern um den Wert
der Ware Nachricht und um WählerInnenstimmen. Das Buch „Spassguerrilla“
(gibt´s für 14 Euro zzgl. Versand auch beim Ziegelbrenner) gehört
jedenfalls nach wie vor zu den Lieblingsbüchern des Ziegelbrenners, auch
wenn die Beispiele darin schon älter sind – die Demaskierung der
Autoritäten, ihre Lächerlichmachung, das Entreißen der glänzenden
Fassaden, die Entlarvung (und die oft sehr bemerkenswerten, beredten
Reaktionen eben darauf) sind durchaus zeitlose Methoden. Zu danken ist
also den Herren Varoufakis und Böhmermann für ihre lehrreichen Beiträge
in dieser Sache!

„Die Revolution beginnt an der Basis“ informiert uns eine
Matratzen-Werbung. Georg Büchner wurde nur 23 Jahre alt, doch in diesem
kurzen Leben wurde er Mediziner, Naturwissenschaftler und
Schriftsteller. Nicht zuletzt war er als Revolutionär im Vormärz aktiv.
Marc-Uwe Kling, Autor der „Känguru-Chroniken“ (mittlerweile erschien als
dritter Band „Die Känguru-Offenbarung“, gibt´s für 9,99 Euro zzgl.
Versand beim Ziegelbrenner), beantwortet die Frage wie dies alles in
solch kurzem Leben möglich war, dass Büchner schließlich keinen
Mail-Account, kein Facebook, kein Twitter hatte. Tatsächlich, wir
befinden uns inmitten einer gigantischen, globalen, zeitfressenden
Blödsinnsmaschine, „machen alles und erleben nichts“ (Umair Haque in der
„taz“). Wir müssen (oder meinen zu müssen) immer etwas tun. Selbst
Beziehungen sind heute „Arbeit“. So heisst es dauernd tätig sein im
Rauschen der Medien, zu chatten, Freundschaftsanfragen zu beantworten
und zwischendurch den Körper zu „optimieren“. Wo bleibt in diesem
dauernden Sperrfeuer der Rastlosigkeit – welche zudem noch einer
fortwährenden Beschleunigung ausgesetzt ist -, in diesem Surrogat des
„Lebens“ noch die Besinnung auf unsere Begierden und Leidenschaften?
Leben wir wahre Wünsche, statt Wünschen, die zur konsumierbaren Ware
transformiert werden (was nicht Ware ist haben wir uns auch nicht zu
wünschen)!

Das Buch ist ein Medium der Muße, zugleich ergo auch ein Medium gegen
mediale Dauerberieselung und permanente hektische Betriebsamkeit. Somit
wird das Lesen heute vermutlich beinahe schon zu einem revolutionären
Akt, zumindest aber zu einem Akt der – wenigstens temporären –
Verweigerung. Freilich, das Netz der Buchläden wird löchriger, und dass
die Branche es nicht leicht hat wissen die LeserInnen dieser Einwürfe
schon längst. Doch gibt es auch positives zu vermelden. Das dem
schnellebigen Internet von Jugendlichen weniger geglaubt wird als den
Printmedien (JIM-Studie 2014, befragt wurden 12- bis 19-Jährige)
erscheint vernünftig. Der e-book-Markt wächst im deutschsprachigen Raum
nur langsam (Börsenblatt, 3.3.2015), während die Zahl der
Buch-LeserInnen seit Jahren recht stabil bleibt, auch bei den
Jugendlichen. Gross ist auch das Interesse an der Leipziger Buchmesse,
sie hatte 2015 mehr BesucherInnen als im Vorjahr. Bücher wie wir sie
kennen werden uns also noch eine Weile begleiten. „Mehr als das Gold hat
das Blei die Welt verändert, und mehr als das Blei in der Flinte jenes
im Setzkasten der Drucker“ (Georg Christoph Lichtenberg). Der Bleisatz
ist zwar weitgehend ausgestorben, doch hier ein kleiner Hinweis: das
„Museum der Arbeit“ (Hamburg) hat eine wunderbare Druckerei, in der auch
eigene Druckvorhaben noch nach alten Drucktechniken realisiert werden
können (http://www.museum-der-arbeit.de). Hier entstanden – und
entstehen – Druckwaren, die auch im Museumsshop zu erwerben sind. Ob
Bleisatz oder nicht: lest Bücher – am besten die aus dem Laden um die
Ecke (nein, nicht die Supermarkt-Grabbelkiste…)!

Ja, es gibt sie noch, die guten Buchläden. Diesmal Tipps aus der
Schweiz: die „Buchhandlung im Volkshaus“ (Zürich) hat neben dem linken
Sortiment viele Fussballbücher, Bücher zur Psychoanalyse („Jelinek,
Marx, Freud“ steht auf dem Lesezeichen) eine ausgezeichnete
Lyrikabteilung und führt regelmäßig Lesungen durch. „Paranoiy City“
(ebenfalls Zürich) ist auch ein Verlag – u.a. erschien hier das Kultbuch
„bolo´bolo“ – und hat das Buchsortiment vor einigen Jahren am neuen
Standort um eine gute Auswahl an Weinen ergänzt. Wo wir grad in Zürich
verweilen: der „Kinderbuchladen“ – bei seiner Gründung vor bald 50
Jahren erster Kinderbuchladen überhaupt im deutschsprachigen Raum – hat
auf satten 400 Quadratmetern eine einzigartige Auswahl an Kinder- und
Jugendbüchern. Schliesslich: die Buchhandlung „Librium“ hat im
schweizerischen Baden, einem Städtchen von weniger als 20.000 Menschen,
lockt schon aufgrund ihrer originellen Einkaufstüte zum Kauf. Dort sind
30 Fragen aufgedruckt, wie „Was ziehen sie vor: gutes Essen, guten Sex
oder ein gutes Buch? War das schon immer so?“. Und nicht nur das: wenige
kleinstädtische Buchhandlungen haben ein derart ausgewähltes Programm.
Und was ist Eure Lieblingsbuchhandlung?

Einige Hinweise, nicht zuletzt in eigener Sache. Zunächst schon mal ein
Termin zum Vormerken: Vom 24.-26. April findet in Mannheim die 3.
Anarchistische Buchmesse statt – eine schöne Veranstaltung mit
interessantem Begleitprogramm. Mit dabei ist „Der Ziegelbrenner“. Infos
siehe buchmessemannheim.blogsport.eu/

Es gibt eine Initiative für den Wiederaufbau eines Gedenksteins für
Gustav Landauer auf dem Münchner Waldfriedhof, die auch „Der
Ziegelbrenner“ unterstützt; dies schon, weil Landauer ebenso wie Ret
Marut in die Bayerische Räterepublik involviert war, und weil eine
solche „Gedenkkultur von unten“ dazu beitragen kann, dass Wissen um die
emanzipatorischen Facetten der Geschichte im kollektiven Gedächtnis
wachzuhalten. Infos siehe: www.edition-av.de (Menüpunkt Gustav Landauer).

Der Ziegelbrenner grüßt den Feuerstuhl – denn der „Feuerstuhl“ ist eine
neu an den Start gegangene, entschieden antiautoritäre Zeitschrift,
benannt nach einer Geschichte von B. Traven/ Ret Marut. Herausgeber ist
Egon Günther, die Zeitschrift erscheint im Verlag Peter Engstler. Infos
siehe http://feuerstuhl.org

Wie stets: ich freue mich, wenn auf die Einwürfe hingewiesen wird, in
Blogs, sozialen Medien etc.

PS: Die „Einwürfe“ sind keine Eintagsfliegen – auf die ersten Mailings,
wo ich u.a. auf Michael Bakunin einging, kamen Monate später noch
Kommentare, die darauf hinwiesen, dass eine sinnvolle Nutzung der
Freiheit ohne eine spirituelle/ religiöse Einbindung doch wohl kaum
möglich sei. Ich halte es da lieber mit Arno Schmidt: „Ich? Atheist,
allerdings! Wie jeder anständige Mensch!“