Vierundvierzigster Einwurf des Ziegelbrenners

Der Buchmesse-Aktionsrabatt-Einwurf

Geneigte Leserinnen und Leser,

nach langem hin & her findet dieses Jahr wieder eine Buchmesse in Frankfurt statt, wenn auch in einer deutlich abgespeckten Version.

Aus diesem Anlass mache ich auf meiner Homepage eine kleine Sonderaktion: ab morgen (20. Oktober) und nur bis 24. Oktober gibt es auf alle Bestellungen 30% Rabatt! Wie heißt es so schön: zugreifen, solange Vorrat reicht – das Meiste ist schließlich nur einmal vorhanden!

Zum Angebot geht es hier.

Gebrauchte Bücher haben einen gewaltigen Vorteil gegenüber neuen Büchern: sie sind bereits gedruckt. Denn derzeit kämpfen Druckereien und Verlage mit Papierengpässen, aus verschiedenen Gründen. So spielt die globale Holzknappheit angesichts massiver Nachfrage eine Rolle und der gerade im Schatten des Coronavirus wachsende Onlinehandel mit seinem stark gestiegenen Bedarf nach Verpackungsmaterial. Die vorhandenen Lieferketten erweisen sich unter diesen Umständen momentan zudem als sehr fragil. Neben Problemen in einigen Häfen steht das ohnehin viel zu stark auf LKW´s basierende Transportwesen vor dem Kollaps. Die Folgen zeigen sich derzeit an vielen Produkten, bei Mikrochips und Kunststoffen ebenso wie bei Buchbinderleim, Verpackungsfolien und eben Papier.

So werden viele Bücher nicht rechtzeitig zur Buchmesse vorliegen, und die Verlage bangen um das für diese Branche so wichtige Weihnachtsgeschäft. Teilweise betragen die Wartezeiten auf Papiere schon jetzt über ein halbes Jahr, und die Preise für Altpapier sind so hoch wie nie. Übrigens: laut Umweltbundesamt spart bereits ein Päckchen mit 500 Blatt Recycling-Kopierpapier rund 5,5 Kilo Holz – wenn das mal kein Plädoyer für nachhaltiges Drucken und mehr Nachhaltigkeit im Büro ist! Der kuriose Nebeneffekt ist der momentanen Situation ist, dass genommen wird, was man kriegen kann – manche Bücher werden so schwerer, wenn auf in den Lagerbeständen noch vorhandenes dickeres Papier zurückgegriffen wird.

Neben der Buchmesse als Branchenschau gibt es auch wieder vermehrt kleinere Messen, so findet die inzwischen 26. Linke Literaturmesse in Nürnberg im November statt. Ich nahm einst selbst daran teil und weise gerne und nachdrücklich darauf hin!

Was wird momentan gelesen? Die Jahre 2020 und 2021 weisen eindeutige Effekte des „cocooning“, also des Zurückziehens und häuslichen Einigelns, auf. Zwar ist der gesamte Buchmarkt aufgrund monatelanger Schließungen in diesem Zeitraum stark verzerrt. Doch konnten Branchenstudien zufolge insbesondere Kinderbücher sowie Koch- und Backbücher stark zulegen. Wenig erstaunlich, dass Reisebücher in dieser Zeit regelrecht baden gingen. Allerdings hat auch „schöngeistige Literatur“ weniger vom Corona-Effekt zehren können, als angenommen, auch wenn insbesondere während der Schließungen von Gastronomie und Kultureinrichtungen ein verstärktes Leseinteresse zu beobachten war. Ein älteres Buch wurde nun flugs mehrfach nachgedruckt, aus aktuellem Anlass; Camus´ “Pest“.

Stark eingebrochen ist dagegen der deutschsprachige Lehrbuchmarkt. Studierende wie Lehrende kauf(t)en deutlich weniger Bücher, was offenbar nicht nur der temporären Schließung von Bildungseinrichtungen geschuldet ist. Eine bedenkliche Tendenz, da das Lesen von Printmedien ein intensiveres Lesen ist, dementsprechend auch eine nachhaltigere Aneignung des Gelesenen ermöglicht. Interessant ist der Blick nach Italien: um den kulturellen Blackout – der gerade für Jugendliche mit starken sozialen Einschränkungen und Bildungsbeschränkungen einherging – auszugleichen -, hat das italienische Kulturministerium unter Dario Franceschini eine Prämie von 500 Euro für jeden Jugendlichen zum 18. Geburtstag ausgesprochen. Davon können Kulturprodukte – eben auch Bücher – gekauft werden. Eine nachahmenswerte Idee.Als ekelhaft empfinde ich das „Impf-Dankeschön“, mit dem Buchhandlungen sich bei Kund*innen bedanken, die mit ihrer Impfung – angeblich – ermöglichten, dass Ladentüren auch bei steigenden Inzidenzen geöffnet werden konnten. Abgesehen vom dahinter stehenden schlichten – und in dieser Gesellschaft aufgrund von Abhängigkeiten verständlichen – ökonomischen Interesse ist es doch ärgerlich, wenn monatelang die Corona-Politik im Kulturbetrieb (nicht nur dem Buchhandel) nicht grundsätzlich kritisiert, sondern vielmehr ein vorauseilender, geradezu serviler Gehorsam praktiziert wird. Auch sachlich – siehe die Fixierung auf Inzidenzen bis in den September 2021 hinein – ist diese Position nicht haltbar. Wenn nun Veranstaltungen wie Lesungen wieder Publikum in die Läden bringen sollen, so bleibt für mich ein schaler Beigeschmack.

Wie kommen Buchläden über die Runden angesichts der momentan schwierigen Zeiten? Bundesweit beachtet wurde der Kampf der Buchhandlung „KIsch & Co.“ (Berlin) gegen eine Räumungsklage. In letzter Minute wurde, sicher auch aufgrund der medialen Aufmerksamkeit, ein (kleinerer) Laden als Alternative angeboten. Die steigenden Mieten sind jedoch auch für viele andere, kleiner Probleme ein existentielles Problem. Die mehrfach als herausragend prämierte Buchhandlung „Aegis“ (Münster) erweitert sich um Gastronomieräume (während umgekehrt das in Corona-Zeiten durch Schließung gebeutelte „Café Mutz“ im hessischen Niederursel nun Bücher und Lesungen anbietet).

Etliche Buchläden erweitern sich zu „Allesverkäufern“ – der ausgeweitete Bereich an „Nonbooks“ (eigentlich ein Un-Wort, oder hat schon mal jemand in einem Lebensmittelgeschäft „Nonfood“ gefunden? Hat jemand einen besseren Begriff, auch für meine Homepage?) macht allerdings nur gesichtsloser. Insofern erscheint mir „Weniger, aber besser“ die klügere Strategie. So will die Buchhandlung „Blattgold“ (Hamburg) ihr Sortiment bewusst jenseits von Reizüberflutung kuratieren. Auch clevere Nischen können eine Option sein – „Stolze Augen Books“ (Köln) will nicht-weißen Autor*innen eine Stimme geben. Andere Buchläden erweitern ihre Basis durch die Transformation in eine Genossenschaft – nach „Gastl“ (Tübingen) nun z.B. auch „Eselsohr“ (Bitburg). Große Unterstützung (und teils neue Kund*innen) gewannen einige Buchhandlungen in den vom 2021er Hochwasser betroffenen Regionen in der Eifel und an der Ahr. Die Geschichte des stationären Buchhandels ist jedenfalls trotz aller Widrigkeiten noch nicht abgeschlossen. Und das ist ja schon einmal ein beruhigendes Fazit.

Auch wenn es weiterhin viele Buchneuerscheinungen gibt – das Artensterben nimmt auch in der Literatur zu. Buchstäblich. Der Umweltverband WWF hat bereits letztes Jahr die abnehmende Biodiversität neben dem Klimawandel als größtes globales Problem bezeichnet. Nun wies eine umfassende Studie, die mehrere zehntausend Werke westlicher Literatur aus dem 18. Bis 20. Jahrhundert auswertete, ein literarisches Artensterben nach: bereits ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts werden in den Büchern immer weniger Tier- und Pflanzenarten genannt (ausgenommen Haus- und „Nutz“tiere). So merkt manch eine/r vielleicht gar nicht mehr, was gegenwärtig verloren geht.

Was gibt es sonst Neues? Ach ja, es wurde gewählt in Deutschland. Wie dies geschah, erinnert eher an eine Bananenrepublik. Der CSU-Chef ruft offen zur Wählertäuschung auf, der CDU-Spitzenkandidat zeigt in einer geheimen Wahl vor den Fernsehkameras seinen Stimmzettel her, in Berlin fehlen die Stimmzettel und die Wahllokale schließen, bevor alle ihre Stimmen abgegeben haben, in mehreren Orten wurden die Stimmzettel vertauscht. Das nun mit Direktmandaten Karl Klabauterbach („Wir haben keinerlei Spielraum für Lockerungen“) und Friedrich Merz („Blackrock“ & „CDU-Zukunftsteam“) in den Bundestag einzogen – geschenkt. Immerhin blieb dieser Triumph der Pestizidministerin und Bienenkillerin Julia Klöckner versagt.

Aus der Klimaschutz-Bewegung flossen viele Sympathien Richtung der GRÜNEN. Auch auf die Gefahr hin, hier oberlehrerhaft zu wirken, doch wird die überwiegend junge „Fridays for Future“-Szene noch einiges lernen müssen. Zum einen, dass Wahlen nichts ändern. Alle Parteien, die auf dem Wahlzettel zur Verfügung standen, hatten als Maximalversprechen einen ökologischen, solidarischen oder sich wie auch immer nennenden „new deal“ im Angebot, also die Versöhnung von Ökonomie und Ökologie. Dabei ist der Kapitalismus das Problem, denn er ist der Motor des ökologischen wie sozialen Raubbaus. Kapitalismus basiert auf Wachstum, wo es heute dringendst Konzepte eines Wirtschaftens ohne Wachstum braucht. Die Wetterdaten sprechen eine deutliche Sprache: Der Juli 2021 war der global heißeste Monat seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, gefolgt vom Juli 2020 und vom Juli 2019. Schätzungen gehen davon aus, dass es zwischen 2030 und 2050 jährlich 250.000 Tote durch den Klimawandel geben wird. Angesichts von Dürre- und Hungerkatastrophen, globalen Fluchtbewegungen, zunehmenden Pandemierisiken durch globale Erwärmung etc. erscheinen mir diese Zahlen allerdings noch als geradezu optimistisch.

Ohnehin werden die GRÜNEN als „Klimaschutzpartei“ maßlos überbewertet. Deren öko-neoliberales Programm reicht nicht im Entferntesten für die Einhaltung des 1,5-Grad-Zieles, so das Ergebnis einer Analyse von Wirtschaftsinstituten. Doch selbst ein popelig wirkendes Wahlversprechen der GRÜNEN auf ein Tempolimit (gefordert im Wahlprogramm als „Sicherheitstempo“) wird nicht eingelöst werden. Das nennt man dann wohl „Realpolitik“. Was ist auch zu erwarten, wenn die beiden Parteien mit der reichsten Wahlklientel miteinander regieren werden, die Öko-Wohlstandspartei (die entsprechend kaum thematisiert, dass die ökologische und die soziale Frage zusammengehören) und die „Eure Armut kotzt uns an“-FDP als Partei der SUV- und Porsche-Fahrenden. Die Fixierung zumindest von Teilen der FFF-Bewegung auf den Parlamentarismus kann so eine fatale Folge haben: das nämlich sich Enttäuschung und Frust breit machen, „nichts erreicht“ zu haben – ausgehungert zu werden am langen Arm der Bundestagsparteien. Und das, wo es doch gerade eine Forcierung außerparlamentarischer Kämpfe bräuchte.

Immerhin waren die GRÜNEN einst eine Partei der Friedensbewegung „Raus aus der NATO“). Lange her, ich weiß. Aber wenn die Bundeswehr im Jahr 2021 verkündet, 600 Millionen Euro für Funkgeräte mit dem technischen Stand der 1970er Jahre (!) auszugeben und für 135 Millionen Euro ein Segelschiff (!) saniert – der Neubau wäre sicher günstiger gewesen -, so wundert mensch sich schon, dass sich darüber niemand groß aufregt, schon gar keine Partei. Resultat auch der „Umerziehung“ nicht zuletzt durch die GRÜNEN zur neuen militärischen Normalität? Bücher gegen Militarismus & Krieg gibt es jedenfalls Camus´ “Pest“.

Das Wahlen nichts ändern, zeigt sich auch an anderer Stelle: die Forderung „Deutsche Wohnen enteignen“ erhielt in Berlin bei einem Volksentscheid eine Mehrheit, über eine Million Menschen sprachen sich für die Enteignungen (die übrigens nicht entschädigungslos sind) aus – bindend ist das Ergebnis, wie bei Wahlen ja eh, allerdings keineswegs. Es ist eine Worthülse, wenn Bürgermeisterin Giffey bekundet, das Ergebnis „respektieren“ zu wollen – da werden sich die Wählenden doch bedanken müssen, dass sie immerhin „respektiert“ werden, während von entsprechenden Handlungsschritten nichts zu hören ist. Auch hier wird es eine Ausweitung der außerparlamentarischen Proteste geben müssen, wenn diese Bewegung erfolgreich sein will. Auch hier lohnt wieder ein Blick ins Antiquariat. So war selbst die CDU einst für Sozialisierungen.

Wie sagte doch einst so schön der ehemalige Anarchist (an der Seite von Erich Mühsam), Kommunist und spätere Sozialdemokrat Herbert Wehner so treffend: „Der Wähler legitimiert mit seiner Wahl die Entscheidung, die anschließend gegen ihn getroffen wird“ – was er offenbar allerdings weniger auf seinen eigenen Lebensweg als Parlamentarier bezogen hat, oder war es ein seltener Ausdruck von Ehrlichkeit eines Abgeordneten? Was im Wahlkampf keine Themen waren, ist hier zu lesen. So widmet sich ein Kapitel dem „digitalisierenden Virus“. Tatsächlich bewirkt die Corona-Politik eine massive Digitalisierung der Gesellschaft. Gerade jüngere Wählende sehen darin keine Gefahren, nur (vermeintliche) Chancen, wie auch der starke Anteil der FDP gerade in dieser Altersgruppe zeigt – diese Partei geriert sich ja seit Jahren als regelrechte Digitalisierungspartei. Eine klare Technologiekritik (nicht Technikkritik!) ist offenbar „echt 80er“, doch bräuchte es sie gerade heute. Es ist immer wieder interessant, einmal in den Beständen meines Lagers zu wühlen. So haben die GRÜNEN einst die digitale Überwachung durchaus kritisch gesehen. Siehe diese Rarität aus meinem Sortiment.

Was fehlt? Die Rubrik „Es gibt sie noch, die guten Buchläden“. Folgt sicher im nächsten Einwurf. Bleibt dran.

Lebt und lest!

Der Ziegelbrenner

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