Siebenundfünfzigster Einwurf des Ziegelbrenners

Der Herbst-Einwurf

Liebe Einwurf-Lesende,

im Herbst fallen nicht nur die Blätter, sondern auch die Preise. Und zugleich lädt das Schmuddelwetter zum Einigeln ein, zum Lesen auf dem Sofa, mit einem leckeren Kaffee (der Ziegelbrenner empfiehlt Aroma Zapatista) oder Tee. Daher nun gleich am Anfang der Werbeblock. Wobei ich natürlich, so weit dies möglich ist, zu einem „vernünftigen Konsum“ einlade – boykottiert konsumistische Mega-Ereignisse wie den sogenannten „Black Friday“, der dieses Jahr am 24.11. stattfindet und in erster Linie, nicht aufgrund der enormen Rückgabequote der spontanen und meist überflüssigen Käufe eine organisierte Umweltzerstörung darstellt (sowie zu Lasten kleiner, feiner Läden geht)!

Nun aber:

Der Ziegelbrenner braucht Platz! Viele Regale sind überfüllt. Deshalb habe ich einige Bereiche nun – zeitlich befristet bis zum 1.1.2024 – stark im Preis gesenkt:

Alle über 300 CDs kosten jetzt nur noch je 5 Euro.

Alle über 200 Hörbücher kosten jetzt nur noch je 5 Euro.

Alle über 700 Bücher zu Erziehung & Pädagogik kosten jetzt nur noch je 5 Euro.

Alle rund 250 Koch- und Ernährungsbücher kosten jetzt nur noch je 5 Euro.

Alle fast 200 Gedichtbände kosten jetzt nur noch je 5 Euro.

Alle über 200 Krimis kosten jetzt nur noch je 3 Euro.

Noch günstiger wird es, da bis zum 31.12.2023 der Buch-Gutschein winkt: ab 20 Euro Bestellwert gibt es 5 Euro Rabatt!

Hier ein paar Buchempfehlungen, nicht zuletzt (wenn vorhanden) für den Gabentisch:

Marge Piercy: Menschen im Krieg – ein fulminanter Antikriegs-Roman!

Bill Moyer: Aktionsplan für soziale Bewegungen – nach diesem Konzept richtet u.a. die „Letzte Generation“ ihre Protestformen aus.

Tim Flannery: Wir Wettermacher  – für alle, die wissen wollen, woher eigentlich die krassen Extremwetter kommen.

Andrej Holm: Objekt der Rendite – eine Einführung in die politische Ökonomie des Wohnens (und darüber, was die alten Marxisten noch nicht wussten).

Dieter Jakob u.a.: We Are The Other People – DAS Buch zur „Zappanale“, für alle Zappa-Fans!

„Früher hatte der Mensch nur einen Körper und eine Seele. Heute braucht er noch einen Pass dazu, sonst wird er nicht wie ein Mensch behandelt“, so Stefan Zweig. Wer denkt da nicht gleich an B. Traven und sein Buch „Das Totenschiff“? Zu Traven hier ein rares, interessantes Buch.

Weitere Buchtipps – nicht zuletzt Ge- und Verschenk-Tipps! – sind hier zu finden.

Bücher zum Thema „Ukraine“ würden derzeit viel gekauft, so berichteten in den letzten Monaten mehrere Buchhändler. Ich kann das leider keinesfalls bestätigen, ich wundere mich eher über das geringe Interesse. Zum Ukraine-Sortiment geht es hier.

Angesichts des aufgeheizten politischen Klimas gegen Geflüchtete nicht nur in Deutschland empfehle ich meine Rubrik „Migration & Asyl“. Welche Menschenleben zählen und welche nicht, konnte man im Sommer an zwei fast zeitgleichen Ereignissen erleben: mehrere hundert Flüchtlinge starben beim Schiffsunglück vor Pylos, als der Fischkutter „Adriana“ sank. Notwendige Maßnahmen zur Seenotrettung wurden nach einer Recherche des Magazins „Monitor“ offenbar bewusst unterlassen, die Toten reihen sich ein in die unerträgliche Geschichte der tödlichsten Grenze der Welt – des Mittelmeers. Dabei ist die absurde Behauptung, Rettungsaktionen für Geflüchtete würden mehr Flüchtlinge nach sich ziehen – was für ein Zynismus spricht alleine aus solchen Überlegungen! – längst widerlegt. Wenige Tage später sank ein Tauchboot auf dem Weg zum „Titanic“-Wrack. An Bord eine Handvoll prominenter Superreicher. Man illustriere die Berichterstattung zu dieser „Tragödie“ mit jener über die „Adriana“-Havarie – das spricht für sich.

Der „Packpapier Verlag“ kann gerade jede Unterstützung brauchen. Mein Sortiment aus diesem Verlag findet sich hier.

Bücher sind zu teuer? Das Plakat „Wer bekommt was vom Buch?“ informiert beispielhaft über die Preiskalkulation. Den ersten zehn Bestellungen, die mich nach diesem „Einwurf“-Versand erreichen, werde ich das Plakat auf Wunsch beilegen (bitte bei der Bestellung vermerken)!

Immer wieder bekomme ich wunderbares Feedback zu den „Einwürfen. „Immer wenn ich Deine Ausführungen und Gedanken lese, habe ich das Gefühl, nicht allein zu sein“, schrieb mir letztens ein Autor. Aber natürlich schreibe ich die „Einwürfe“ im Kontext des Ziegelbrenner-Projektes, und dieses Projekt gibt es so lange, wie die Miete für das Lager hereinkommt. Also: macht verschärften Gebrauch von meinen Offerten!

Was sonst?

Angesichts des Zerfalls des öffentlichen Raumes – genauer: des Verfalls räumlich erfahrbarer, konkreter Sozialität und Gemeinschaftlichkeit zugunsten einer medialisierten, am Bildschirm und vor Smartphones vereinzelten Lebensrealität (imaginäre Download-„Bibliotheken“ anstatt sinnlicher Kommunikations- und Begegnungsstätten)– müssten Orte wie Bibliotheken eine zunehmende Wertschätzung und Unterstützung erfahren. Dem wird zu wenig Rechnung getragen, es gibt aber doch ein paar positive Beispiele wie die wunderbare Oodi-Bibliothek, auf die mich letztens ein Leser hinwies. Wie eine lebendige Jugendbibliothek aussehen kann, die in einem sozial benachteiligten Stadtteil so richtig Lust auf Lesen macht, kann man in Oslo erleben. Sie wurde von Aat Vos gestaltet, der auch ein deutsches Vorzeigebeispiel, die Stadtteilbibliothek Köln-Kalk, realisierte. Die Realität in Deutschland sieht ansonsten meist noch anders aus. Für einen kleinen Aufschrei sorgte zudem die Mitteilung der Stadtbibliothek Hannover, ihre Bücher nicht mehr primär im lokalen Handel kaufen zu wollen, sondern ihre Buchbestellungen europaweit ausschreiben – sie verabschiedet sich damit von einem gemeinschaftlichen Verständnis lokaler, kooperativer Lese- und Buchförderung.

Was die Folge solcher Ausschreibungen sein kann, erlebte die Stadt Mainz: nachdem Schulbücher nicht mehr individuell in den regionalen Buchläden beschafft wurden, sondern die Schulbuchbeschaffung ausgeschrieben wurden, waren die Bücher für das neue Schuljahr teilweise nach den Herbstferien noch immer nicht da und man behalf sich mit Fotokopien… Kulturpolitisch das falsche Signal ist es auch, wenn nun Nürnberg (wie andere deutsche Städte und Regionen in den letzten Jahren) einen Bücherbus – eine rollende Stadtbibliothek – streichen will. Immerhin, tausende Menschen protestierten, es bleibt abzuwarten, ob so das Ruder noch einmal herumgerissen wird. Über fahrende Bibliotheken informiert übrigens die Seite Fahrbibliothek.

Ohnehin geht es der Kultur – nicht nur, aber eben auch der Lesekultur – immer wieder an den Kragen. Der Bayerische Rundfunk will alle Kultursendungen (darunter auch Lesungen und das Büchermagazin „Diwan“) zusammenstreichen bzw. einstellen – Medien wie die Münchener „Abendzeitung“ sprachen von einem „Kahlschlag“. Auch hier gab und gibt es lautstarke Proteste, etwa vom Schriftstellerverband PEN und der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Bisweilen werden die Kulturkämpfe juristisch ausgetragen – „Lettre International“, nach eigenem Anspruch „Europas Kulturzeitung“, klagte etwa gegen die Akademie der Künste in Berlin und die von dieser herausgegebenen Literaturzeitschrift „Sinn und Form“, weil die staatliche Förderung von Kulturzeitschriften den „Weg in eine Staatspresse“ ebne. Diese dumme „Kritik“ spricht Bände – im Nachbarland Österreich dagegen gibt es eine umfassende Medienförderung. Warum also nicht anstelle juristischer Schritte und Konkurrenzdenken lieber die Förderung aller Printmedien, zumindest innerhalb gewisser Kennzahlen, wie z.B. der Auflage, fordern? In Frankreich dagegen sind weiterhin die Bouquinisten an der Seine in Paris bedroht (ich berichtete bereits im Fünfundfünfzigsten Einwurf davon) – ihre Stände sollen der Olympiade 2024 weichen: Brot & Spiele statt Kultur…

Für Menschen in Bremen hier noch ein Kulturtipp: die Chile-Lesung des Projektes „Aus den Akten auf die Bühne“ wird noch einmal am 23.11. zu erleben sein. Deutlich wird, wie und warum Salvador Allende gestürzt wurde – nicht zuletzt mit massiver Unterstützung der USA – und welche Folgen das folgende Militärregime von Augusto Pinochet hatte. Neoliberalismus und Faschismus erweisen sich hier als zwei Seiten einer Medaille, was man auch vor dem Hintergrund aktueller Kriege um Geopolitik und Vormachtstellungen, wie etwa in der Ukraine, nicht vergessen sollte. Chile ist übrigens auch ein Schwerpunktthema der September-Ausgabe der „Graswurzelrevolution“.

Der Ziegelbrenner agiert nun in einer „Stadt der Literatur“ (zu einer solchen wurde Bremen von der UNESCO ernannt). Der Ziegelbrenner wird davon vermutlich wenig profitieren – weil den Stadtoffiziellen sicher in einer Zeit der Polarisierungen ein zu unsicherer Kantonist -, doch schauen wir mal, was eine vielleicht engere Vernetzung der Literatur- und Buchszene so bringen mag. Und eine stärkere Beachtung der Literatur und nicht zuletzt des Mediums Buch freut mich natürlich. Nicht nur die Bremer Stadtmusikanten (Geschichtsklitterung – bis Bremen kamen sie ja nie!), sondern auch die vielen Buchhandlungen und das Zentrum für Künstlerpublikationen trugen dazu bei (letzteres wäre eine schöne Würdigung für die Kuratorin Bettina Brach, die dieses Jahr viel zu früh verstarb und diesen Erfolg nicht mehr erleben konnte).

Ach ja, apropos Buchhandlungen. Es gibt sie noch, die guten Buchläden. Zum Beispiel in Niedersachsen, Hamburg und Bremen.

Zum Beispiel in Lüchow: die „Alte Jeetzel-Buchhandlung“ (Lange Str. 47) wurde bereits mit dem Deutschen Buchhandlungspreis ausgezeichnet, sie ist eine „Prädikatsbuchhandlung zur Leseförderung“ und betreibt die literarische Nahversorgung im dünn besiedelten Wendland – in einer so politisierten Region, diesem „Atomkreis“, verwundert es nicht, dass auch ein politisch aktiver Verlag mit Büchern zur Region dem Laden angeschlossen ist.

Zum Beispiel in Hamburg: modern präsentiert sich „cohen + dobernigg“ (Sternstr. 4), dort „finden sich neben bekannten Standards gedruckte Delikatessen, die in der Flut der lieferbaren Bücher leider oft untergehen. Besondere Schwerpunkte sind hierbei die erzählende Literatur und alle Aspekte des kulturellen Lebens wie Film, Theater, Popkultur, Design, Photographie, Mode“, wie es auf der Homepage heißt – und wovon ich mich selbst überzeugen konnte.

Zum Beispiel in Bremen: das „Findorffer Bücherfenster“ (Hemmstr. 175) ist eine klassische Stadtteilbuchhandlung. Gezielt wird vor allem nach interessanten Büchern aus kleineren Verlagen gesucht, wenngleich, wie üblich bei Stadtteilbuchhandlungen, natürlich auch die Bestseller präsentiert werden. Auch diese Buchhandlung wurde bereits mit dem Deutschen Buchhandlungspreis prämiert. Der Laden engagiert sich in der Initiative „buy local“.

Und gleich noch einmal Bremen, wo wir doch in einer „Stadt der Literatur“ sind: die „Lesumer Lesezeit“ (Hindenburgstr. 57) ist das Nachfolgegeschäft der wunderbaren Buchhandlung von Peter Liebrecht, der u.a. die Ausstellung „Die schönsten deutschen Bücher“ durchführte (bevor sie dann zu meinem ehemaligen Buchladen weiterwanderte…). „Auf 50m² finden sich hier ausgewählte Buchsortimente und kleine Geschenke für jeden Anlass. Die Inhaberin, Svenja Esch, die selber aus einer Familie von Buchhändlern stammt, und ihr Team stehen mit Rat und Tat zur Seite, um im Dschungel der Neuerscheinungen ganz individuelle Orientierung zu bieten“, schrieb mir ein Leser.

Gerettet ist jetzt übrigens die „Buchkönigin“ in Berlin (ich berichtete im Fünfundfünfzigsten Einwurf), zwei Frauen wollen diesen wunderbaren Buchladen weiterführen. Alles Gute!

Seit Jahren macht die Anarchistische Bibliothek Wien wunderbare Kalender, mit denen an zumeist weithin vergessene Anarchistinnen erinnert wird. 2024 wird erstmals einer Anarchistin gedacht, nämlich Emma Goldman. Bestellt euch das schöne Teil.

In München läuft bis zum 4.2.2024 noch die Ausstellung „Verbotene Bücher“, die, wie ich hörte, durch ihre Konzeption überzeugt – ich habe mich selbst davon noch nicht vergewissern können. Auf jeden Fall ist es eine Ausstellung zur richtigen Zeit, da doch allerorten – wie ich schon mehrfach berichtete – Bücher unter Druck geraten und vielfachen Bestrebungen der Zensur ausgesetzt sind.

Der Maler Neo Rauch äußerte über den Wert der Bücher als Wegzehrung gerade in schwierigen Zeiten: „Wer nicht über diesen Bestand verfügt, lebt in einer Baracke, in der eine einsame Neonröhre flackert, und nichts weiter ist darin enthalten als diese Ödnis“.

In diesem Sinne: lest & kauft gute Bücher!

Es grüßt

Der Ziegelbrenner

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