Achtzehnter Einwurf des Ziegelbrenners

Buch? Handel? Zukunft? – Anmerkungen zur Buchkultur, Teil V

Geschätzte lesende Menschen,

in loser Folge präsentiere ich meine „Einwürfe“ mit Literatur- und Veranstaltungshinweisen, Betrachtungen zur Medienkultur und zu verschiedenen aktuellen Themen der Zeit. Da ich nur unregelmäßig dazu komme, meine Kommentare niederzuschreiben, kommt dann immer einiges zusammen. Kurze Newsletter kann ich nicht so gut, aber Menschen, die Bücher kaufen, kann ich vielleicht auch längere Texte zumuten?

Vorweg ein Angebot: den nächsten 30 Bestelllungen – ab 10 Euro Warenwert –, die mich über meine Homepage www.ziegelbrenner.com erreichen, werde ich das Heft „Die Abschaffung der Arbeit“ von Bob Black beilegen. Setzen wir die Kultur des Müßiggangs gegen das Diktat der Arbeit! Vielen Dank an Werner Pieper (Grüne Kraft), der mir diese Hefte zur Verfügung stellte!

In den USA – Vorreiter in Sachen Digitalisierung von Büchern – scheint der Zenit der e-books bereits überschritten. Der Anteil von e-books an den Buchkäufen insgesamt ging innerhalb des letzten Jahren zurück. Und interessanterweise ist der Anteil der Menschen, die Printbücher bevorzugen, gerade in der Altersgruppe von 18-24 Jahren besonders hoch. Als Ursache wird eine digitale Ermüdung vermutet, so das Börsenblatt des deutschen Buchhandels. Auch in der BRD geben nach neuen Umfragen übrigens 68% der 6-14-Jährigen an, wieder mehr zu lesen, und zwar vor allem gedruckte Bücher.

Dem antiquarischen Buchmarkt nutzt dies wenig. So erreichten mich auch in den letzten Wochen wieder Mitteilungen der Geschäftsaufgabe. Das Antiquariat Sellner, Stein & Partner teilte mit: „Außer in einigen Nischen sind die Preise im antiquarischen Buchmarkt im Sinkflug. Wir müssen heute dreimal so viel verkaufen wie vor zehn Jahren, um allein den Umsatz zu halten. Das ist mit unserer Personalausstattung nicht zu leisten. Mit Trauer sehen wir der Realität ins kalte Auge: Wir müssen aufhören“. Tilman Spreckelsen bemerkte unlängst in der FAZ zu dieser Entwicklung: „Wahrscheinlich war es nie so günstig, sich eine wunderbare Büchersammlung zuzulegen, wie in unserer Zeit. Ein Trost ist das nicht“.

Der christlich geprägte Herder Verlag hat nun mit Thalia die umsatzstärkste Buchhandelskette in der BRD übernommen. Wie sich das auf das Ladensortiment auswirken wird ist noch fraglich. Der Verlagsleiter Manuel Herder betonte, dass es ihm u.a. um die innerstädtische Lesekultur gehe – ein reichlich fragwürdiges Argument:  Thalia hat ja vielerorts die mittelständischen Buchhandlungen verdrängt, die gerade die Vielfalt der Buchhandelslandschaft ausmachen und so die Lesekultur breitenwirksam erhalten, bemerkte dazu die Buchhändlerin Katrin Lutz von der Interessengemeinschaft unabhängiges Sortiment auf boersenblatt.net.

Fit werden – bzw. bleiben – für die Leistungsgesellschaft? Der Börsenverein gab bekannt, was die derzeit stärksten Themen auf den Sachbuch-Bestsellerlisten sind: Low Carb und Fitness. Das drängt mich zu einem Kommentar: die individualisierten Marktsubjekte tun also, was von ihnen erwartet wird – sie arbeiten an ihrer Selbstoptimierung. Früchte trägt, was uns da lange genug eingeimpft wurde: dass wir – und nur wir – selbstverantwortlich sind für unser Leben. Denn, wie es einmal der Gesundheitsminister ausdrückte, in der Solidargesellschaft sind wir verpflichtet, unser bestmöglichstes für unsere Gesunderhaltung zu tun. Wie praktisch, dass sich damit zugleich ein neuer Markt auftut, an dem die Konzerne wieder kräftig verdienen können.

Nein, es ist natürlich nicht grundsätzlich verkehrt, ein wenig auf seinen Körper zu achten, Fernseher & Computer mal abzuschalten und sich regelmäßig zu bewegen. Doch das Private ist politisch, und das nicht weniger, wenn wir nun allesamt unisono erfittet die Ideologie des kapitalistischen Marktregimes verinnerlichen und reproduzieren. Naja, alle sind natürlich nicht dabei. Diejenigen, die sich der teils zum regelrechten Gesundheitswahn ausartenden Sorge sich selbst gegenüber verweigern, werden nun – weil zu dick, rauchend etc. – schief angeguckt und der Unverantwortlichkeit verdächtigt. Das sieht dann irgendwie nach Unterschicht aus. Während diejenigen, die sich dem Herzinfarkt entgegenarbeiten, respektvoll als Leistungsträger betrachtet werden.

Dabei gäbe es Themen genug für Bücher, denen man Bestseller-Status wünschte. Nur ein Beispiel: Eine Plakatkampagne der Bundesrepublik stellt momentan vor, wie´s mit den Flüchtlingen gelingt. Denn da nun mal für eine menschenwürdige Pflege – leider, leider – Zeit & Geld fehlen, macht sich eine Syrerin nun nützlich und zahlt somit ab, was ihr so ganz uneingennützig an Hilfe entgegengebracht wurde. Fröhlich – und beinahe unbezahlt – schiebt sie den Rollstuhl. Dabei kann sie dann noch dankbar über die ihr so großmütig erteilten Chancen der Integration lächeln. Die Reichen aber können ungestört noch reicher werden – denn das geforderte bürgerschaftliche Engagement sorgt dafür, dass der Staat weiter Geld sparen und Steuern reduzieren kann. Nicht, wie suggeriert, der Sozialstaat wird gerettet, sondern die Umverteilung von unten nach oben wird weiter befördert. Schließlich war die Schere zwischen Arm und Reich in der BRD nie so groß wie derzeit. Das wäre mal ein Thema für Ratgeber, die zu lesen sich dann auch lohnte.

Ich setze meinen Sachbuch-Tipp als Beispiel eines wichtigen Buches gegen obige Ratgeber-Tendenz : „Im Wendekreis des Chaos – Klimawandel und die neue Geografie der Gewalt“ von Christian Parenti. Der Autor analysiert in Reportagen aus Kenia, Afghanistan, Indien, Pakistan und schließlich der zunehmend militarisierten US-Grenze detailliert die direkten Folgen von Klimawandel und Umweltzerstörung in den sogenannten Randgebieten der Industriegesellschaften. Die unmittelbaren Folgen des weltweiten Klimawandels haben zu einem mörderischen Konflikt um das täglich Überleben geführt. Damit geht es natürlich auch um die Ursachen, die Millionen von Menschen überhaupt erst zur Flucht drängen. Das Buch ist erhältlich im gut sortierten Buchhandel.

„Ich erwarte mir vom Besuch einer Buchhandlung das, was sich andere von einem LSD-Trip erhoffen“, so der Journalist und Literaturkritiker Denis Scheck. Denn schon der Besuch eines guten Buchladens – und dann das gekaufte Buch (nicht jedes natürlich, siehe oben) – kann schaffen, was die entfremdete Welt der Klicks & Likes eher vereitelt als ermöglicht: Sehnsüchte wecken, Inspirationen geben, Erkenntnis befördern. Das Lesen eines Buches ist ein Schritt auf dem Weg zum Ausstieg aus der Maschine Arbeit. Angesichts der barbarischen Zerstörung der Erde ist Arbeit die falsche Medizin. Es braucht: Innehalten, Müßiggang & die Zeit, um die wirklich wichtigen Dinge zu tun und neue Wege jenseits von Kapital & Arbeit zu erschließen – siehe dazu auch meine Bestell-Beigabe „Die Abschaffung der Arbeit“.

Es grüßt Der Ziegelbrenner