Siebzehnter Einwurf des Ziegelbrenners

Nachrichten aus der Szene

Liebe Liebhaberinnen und Liebhaber des gedruckten Wortes,

die letzten Einwürfe beschäftigten sich ja vor allem mit der Buchkultur. Mit dem nächsten Einwurf wird diese Thematik, für die es viel positiven Zuspruch gab, fortgesetzt. Heute will Der Ziegelbrenner jedoch daran erinnern, aus welcher politischen Richtung er kommt. Immerhin ist Der Ziegelbrenner das Ausverkaufs-Projekt des Anares Buchvertriebes, der – jahrelang als Föderation mehrerer Projekte im deutschsprachigen Raum – vor allem anarchistische Publikationen förderte.

Anarchie ist Freiheit ohne Gewalt, bemerkte einst Immanuel Kant. Wie aber sieht eine entsprechende selbstbestimmte gesellschaftliche Praxis aus? Der Film Projekt A geht dem Phänomen des Anarchismus aus nicht-anarchistischer, aber doch erkennbar sympathisierender Perspektive nach. Infos zum Film: http://www.projekta-film.net/de/. Über das Ergebnis kann man streiten – immerhin: der Film – und somit offenkundig das Thema – stieß auf viel Interesse, teils gab es wegen des großen Erfolges zusätzliche Vorführtermine, vielerorts von Veranstaltungen begleitet.

Warum aber bekommt die anarchistische Szene es eigentlich in rund fünf Jahrzehnten Nachkriegsanarchismus nicht hin, einen eigenen Film zu drehen und so die Vorstellungen, Theorien etc. einer größeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen? Schade. Zumindest z.B. eine kleine Wanderausstellung zum Thema wäre schön, denn wie der Film zeigte: Interesse ist vorhanden.

Eine der ältesten deutschsprachigen Zeitungen aus dem libertären Spektrum soll ingestellt werden, die Direkte Aktion. Offenbar wird die Bedeutung solcher Publikationen selbst im eigenen Umfeld – hier der FAU – gering geschätzt. Oder ist es personell einer Organisation, die immerhin ein paar hundert Mitglieder hat, nicht möglich, ein solches Projekt dauerhaft zu wuppen?

Die Libertäre Medienmesse, die zweijährlich im Ruhrgeniet stattfand, wurde für dieses Jahr leider abgesagt. Vielleicht sehen wir uns dafür in Mannheim? Für diese, mit der Libertären Medienmesse im Wechsel ebenfalls zweijährliche Anarchistische Buchmesse steht der Termin für das nächste Jahr immerhin schon fest.

Zwar existiert der Karin Kramer Verlag nicht mehr. Jedoch hat sich ein Freundeskreis gebildet, der auf spannende Bücher aus dem Fundus hinweist, eine Facebook-Präsenz hat & perspektivisch auch wieder zeitlose, wichtige Bücher aus dem Verlagsprogramm nachdrucken will. Kontakt siehe http://www.karin-kramer-verlag.de/

Im Juli 2016 jährt sich zum 80. mal der Ausbruch des Spanisches Bürgerkrieges. Der Ziegelbrenner hat auch dazu noch einige Materialien im Bestand, die noch auf der Internetseite fehlen – doch schaffe ich es wohl nicht, noch eine Literaturliste dazu zusammenzustellen. Eine solche gibt es jedoch von der Rosa-Luxemburg-Stiftung, immerhin unter Berücksichtigung auch anarchistischer Literatur zum Thema, an der mensch bei diesem Thema ja auch kaum vorbeikommt: https://www.rosalux.de/fileadmin/images/Themen/Geschichte/spanien_1936_litlist_v2.pdf. Als Appetizer hier auch noch der Hinweis auf einen kleinen Text zum Thema: http://lernen-aus-der-geschichte.de/Lernen-und-Lehren/content/12692

Henry David Thoreau, der nordamerikanische Philosoph und Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, prägt bis in die Gegenwart immer wieder libertäre und ökologische Bewegungen. Sein Buch „Walden“ ist ein bis heute viel gelesenes Manifest einer nachhaltigen Lebensweise. Nun wird der Buchtitel ausgeschlachtet für ein neues Magazin: „für Männer, die zurück zur Natur wollen“, wirbt der Verlag – und unterschlägt dabei, dass Thoreau auch nachdrücklich zivilen Ungehorsam propagierte, staatlichen Machtansprüchen kritisch gegenüberstand und das Zahlen von Steuern verweigerte.

Ein Urteil des Bundesgerichtshofes bedroht kleine Verlage – diese sollen nachträglich bis 2012 gelder an die sog. VG Wort nach- bzw. zurückzahlen. Für einige Verlage ist dies existenzbedrohend. Die Edition AV hat hierzu einen offenen Brief und Aufruf verfasst. Kontakt: editionav@gmx.net. Generell sind viele kleinere, engagierte Verlage betroffen, so dürfte dies dazu beitragen, dass nun etliche Bücher nicht erscheinen können. Leider ist jedoch auch hier nicht sichtbar, dass sich Velage zusammentun und gemeinsam überlegen würden, wie sie mit den Folgen umgehen bzw. diese vielleicht gemeinsam bewältigen.

Dem Zapata-Buchladen in Kiel wurden wieder einmal von Nazis die Fensterscheiben eingeworfen. Der Laden freut sich über Spenden, Soli-Partys etc., da er seine Scheiben nach wiederholten Attacken nicht mehr versichert bekommt. Infos: www.zapatabuch.de

Wer anarchistisch urlauben mag: im August gibt es in Österreich – dass ja immerhin nun denkbar knapp einem FPÖ-Bundespräsidenten entgangen ist… – ein anarchistisches Sommercamp. Siehe www.acamp2016.org

Die aktuelle Sinus-Studie kam kürzlich zu dem Ergebnis, dass die Jugend von heute regelrecht überangepasst ist – bürgerliche Zeitungen kommentierten natürlich sogleich und fragten: was ist eigentlich schlimm am Mainstream? Derweil sind die Jugendlichen von einst, die politisch Aktiven der 60er, 70er und 80er Jahre alt geworden. Wie es möglichst ist, „dabei zu bleiben“ fragte Rehzi Malzahn in ihrem im Unrast Verlag erschienenen Buch (http://www.unrast-verlag.de/neuerscheinungen/dabei-geblieben-detail). Veranstaltungen zum Thema sind derzeit gut besucht, es gibt offenbar ein Interesse daran, politische Strukturen zu entwickeln, die nicht alle paar Jahre von vorn beginnen müssen, sondern sich wirklich weiter entwickeln können – und die so auch öffentlich stärker wahrgenommen werden.

Wie aber kommt man aus der Nische? In der Mai-Ausgabe der Zeitung „Gai Dao“ wurde nun nochmals der zuvor schon in der „Graswurzelrevolution“ publizierte Text „Anarchistisch älter werden“ publiziert, der dieser Frage mit Fokus auf die anarchistische Szene nachgeht. Auch dieser Text zog bereits Diskussionen nach sich, die in den folgenden Gai Dao-Ausgaben teilweise dokumentiert werden sollen. Siehe: https://fda-ifa.org/category/gai-dao/

Noch ein Terminhinweis: sehr bald, nämlich am Montag – den 6.6. – findet im Rahmen der Themenwoche zu Flucht & Exil in Bremen im Kulturladen Westend eine Veranstaltung zu Asyl- und Flüchtlingspolitik statt: http://www.kultur-bremen.de/content/blickpunkt-asyl-und-fl%C3%BCchtlingspolitik-diskussionsrunde-im-rahmen-der-themenwoche-flucht-und – nach wie vor ein wichtiges Thema, gerade angesichts des gegenwärtigen Rollback in der Bevölkerung, der verstärkten Abschottung sowie angesichts der Tatsache, dass Fluchtursachen ja nach wie vor nicht wirklich thematisiert, gewchweige denn bekämpft werden.

Abschließend ein Buchtipp: bereits seit den frühen 1970er Jahren ist in der BRD die Anti-AKW-Bewegung umtriebig, und sie hat es bis heute weitgehend geschafft, sich nicht politisch spalten zu lassen. Der Band „Die Anti-Atom-Bewegung“ bietet einen guten Überblick zur Geschichte und den Perspektiven dieser Bewegung, und dies verbunden mit einer kapitalismus- und staatskritischen Sichtweise, also nicht – wie es in diesem Bereich ja häufiger geschah – als pseudo-grünes Politberatungs-Projekt, von wegen grüner Kapitalismus und so. Ein spannender Rück- und Ausblick, gerade auch für Jüngere. Infos: http://www.assoziation-a.de/buch/184

Wie gesagt, nächstes mal wird es wieder um die Buch- und Medienkultur gehen. Doch freue ich mich natürlich auch diesmal, ztotz der – angesichts der letzten Einwürfe – mal etwas spezielleren Thematik über Feedback, Hinweise etc.

Der Einwurf erscheint ja recht selten – dazwischen lohnt dann vielleicht mal ein Blick auf die Facebook-Seiten: https://www.facebook.com/ziegelbrenner. Oder auf den Shop, der nach wie vor viele tausend interessante Medien – rubrikenweise sortiert – bereithält: http://www.ziegelbrenner.com/shop-2/. Weiter suche ich auch Menschen oder Projekte, die sich vorstellen können, den gesamten Bestand zu übernehmen, oder wenigstens einzelne komplette Sortimentsbereiche. Meldet Euch!

Es grüßt

Der Ziegelbrenner