Gercke Doris

Kein fremder Land – Roman

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Beschreibung

Sehr persönliches Buch der couragierten Schriftstellerin (Angehörige mithin einer imer seltener werdenden Spezies) über die Verantwortung von Schriftstellern und Intellektuellen angesichts fataler gesellschaftlich-politischer Entwicklungen. Der Band erschien zuerst 1993, als der Ausländerhass in Deutschland wieder einmal grassierte. Die Autorin verstand ihr Buch damals als Signal, diese Tendenzen nicht unkommentiert zu lassen. Im Vorwort zur Neuauflage 2003 (Edition Nautilus) erklärt sie, dass der Ausbau des Überwachungsstaates (innenpolitisch) und der Festung Europa (aussenpolitisch) in den vergangenen 10 Jahren noch schneller vorangeschrittenn ist, als sie befürchtete – schlimmer noch: seit 2003 schritt das Grenzregime (Frontex) ungebrochen sogar noch weiter voran. Die „Festung Europa“, sie steht dank der „voraufgegangenen Wahlsiege der wichtigsten europäischen Bündnispartner“ (Gercke 1993, noch vor den grossen Wahlerfolgen von FPÖ, Le Pen, Berlusconi, Meloni, Orban, Geert Wilders etc.!). Und so zeigt sich 30 Jahre nach dem ersten Erschienen des Buches abermals die beklemmende, erschreckende Aktualität: es gibt eine „Allparteien-Koalition“ gegen die Rechten, wobei die Grünen ihre anfängliche Opposition schnell aufgeben und die Parteien dieser Koalition inhaltlich ein einziger Brei sind. Schon vor der Machtergreifung der Rechten (hier: „Ethno-Zentristen“) ist die Demokratie nur mehr ein Scheinbild, dem auch die Linken aufgesessen sind (S.34), die, sich im eigenen Sumpf suhlend, die Lage der Menschen im globalen Süden und im Osten ausblenden, wo Priester die Menschen das Elend vergessen machen (S.55). „Demokratie“, das ist hier eine Worthülse, so wie ja auch beispielsweise AfD-Politiker wie Alexander Gauland immer wieder beteuern, auf dem Boden der parlamentarischen Demokratie zu stehen und diese nicht abschaffen, sondern stärken zu wollen – für jene, die nach rechter Definition dazugehören, den anderen droht die „Rückführung“ (S. 135). Letztlich wird, auch das ist eine hellsichtige Botschaft Gerckes, alles dafür getan, die Rechten zu stärken, denen ohnehin kein scharfer Wind entgegenbläst und die hier und da mehr oder weniger offen umgarnt werden. Die Medien haben ihren Anteil daran, am Hintergrund lauert, schon damals klar erkannt, die den Menschen seit 2022 (Krieg in der Ukraine) täglich eingehämmerte „Zeitenwende“, die Menschen haben für die Demokratie Opfer zu bringen: „Nur mit solchen Menschen kann unser Land seine Aufgabe in der Zukunft erfüllen“ (S.88). Nachdem verstärkt Särge mit toten Bundeswehr-Soldaten aus Blauhelm-Einsätzen „heim ins Reich“ kommen, gibt es Rituale zur Stärkung der „Volksgemeinschaft“ wie die „Jahresendfeiern“ (wer denkt da nicht an deutschen Debatten über einen „Veteranentag“ im Jahr 2023…). Schliesslich erreichen die Rechten einen überraschen hohen Sieg. Wobei – ist das wirklich so überraschend? Ach ja, bevor ich es vergessen: nicht zuletzt ist dieses Buch auch eine einzige, klare Kritik am Patriarchat, das auch in dieser (gar nicht fernen) Zukunftsdystopie immer noch die Verhältnisse dominiert. Ein (man muss sagen: leider) immer noch bedrückend aktuelles, sehr lesenswertes Buch! (Gerald Grüneklee)

Zusätzliche Information

Gewicht 600 g
Zustand

gut erh. (KEIN Mängelex. o.ä.), 288 S., Pappband, geb. m. OU

Auflage

EA

Autor

Erscheinungsort

Hamburg

Erscheinungsjahr

1993

ISBN/ISSN-Nummer

3-455-02287-1

Verlag