Dreiundvierzigster Einwurf des Ziegelbrenners

Der Leseherbst-Einwurf

Lesende Menschen,

vor Euch und Ihnen liegt hier wieder ein umfangreicher Newsletter. Der Herbst naht und mit ihm die langen Leseabende, weshalb ich hier auf einige Bücher und Rubriken aus dem Ziegelbrenner-Sortiment hinweisen möchte. Ich beginne mit meinen neuen, eigenen Publikationen:

Zu Johann Most´s „Kapital und Arbeit“, das Marxens Hauptwerk in der Arbeiter*innenschaft zu popularisieren versuchte, muss eigentlich nicht mehr viel gesagt werden. Zuletzt erschien es in den 1970er Jahren im Suhrkamp Verlag, mit einem Nachwort von Hans Magnus Enzensberger. Für die nun vorliegende Neuausgabe habe ich ein biographisches Nachwort verfasst. Siehe https://www.ziegelbrenner.com/produkt/kapital-und-arbeit-das-kapital-in-einer-handlichen-zusammenfassung-von-marx-und-engels-selbst-revidiert-und-ueberarbeitet/

Mein neues Buch „Corona – Gegenwart und Zukunft unter dem Virus“ (Umfang 151 Seiten) wurde zwar bereits am 1.3.2021 abgeschlossen, erschien aus verschiedenen Gründen aber erst jetzt. Angesichts einer seit anderthalb Jahren nur an grobschlächtigen Inzidenzwerten basierten Corona-Politik und daraus abgeleiteten Maßnahmen, weiterhin täglicher Warnungen vor der dritten, vierten, fünften… Welle, Forderungen nach dem Ausschluss und nach Sanktionierungen „Ungeimpfter“, eines seit dem Auftreten des Virus nicht mehr als emanzipatorisches Korrektiv existenten und obendrein stark staatsfixierten linken Milieus ist das Buch als libertäre Kritik (leider!) weiterhin aktuell. Siehe https://www.ziegelbrenner.com/produkt/corona-gegenwart-und-zukunft-unter-dem-virus/

Nach dem Virus ist vor dem Virus, das war schon eine zentrale Aussage des von mit mitverfassten Buches „Corona und die Demokratie – Eine linke Kritik“, mit dem wir bereits Anfang Mai 2020 vor den weitreichenden Folgen von Lockdowns warnten, die Panikmache kritisierten und – mit bislang leider nur bescheidener Wirkung – Forderungen und Ansätze einer emanzipatorischen Praxis unter dem Corona-Regime zu formulieren suchten. Siehe https://www.ziegelbrenner.com/produkt/corona-und-die-demokratie-eine-linke-kritik/

Das Virus ist gekommen, um zu bleiben. Wie eine linke Kritik eben nicht aussehen sollte, zeigt das Beispiel „Zero Covid“. Die fixe Idee von „Zero Covid“ ist nicht hilfreich und realitätsfern, dafür aber umso folgenreicher. Ich habe diese Idee daher schon vor Monaten scharf kritisiert. Der Text ist auch in „Corona – Gegenwart und Zukunft unter dem Virus“ enthalten und insofern ein kleiner Appetizer. Siehe https://sunzibingfa.noblogs.org/post/2021/03/22/zero-covid-eine-polemik/

Liegt es an meiner entschiedenen Kritik, die auch im anarchistischen Milieu nicht mehr prinzipiell geübt wird, dass ich mittlerweile als „Old School-Anarchist“ kategorisiert werde? Jedenfalls tat dies Jochen Schmück in der letzten, nur online verfügbaren „espero“-Ausgabe anlässlich meiner Empörung gegenüber Isolierungen und Ausschlüssen in der Corona-Gesellschaft. Einen angebotenen Artikel von mir wollte man nicht drucken, angeblich kam er „zu spät“. In der selben Ausgabe kritisiert Maurice Schumann unser Buch „Corona und die Demokratie“. Wer selber nachlesen will: https://edition-espero.de/archiv/espero_NF_002_2021-01.pdf

Doch Schluss mit dem C-Thema, es gibt schließlich wichtigere Themen. Die Menschheit ist gerade dabei, sich ihrer dauerhaften Existenzgrundlagen zu entziehen. Der Weltklimarat wies darauf hin, dass die – ohnehin unzureichenden – Pariser Klimaziele wohl kaum mehr haltbar sind. Alle, die meinen, die globale Erwärmung ließe sich unter den gegebenen globalen, kapitalistischen Bedingungen noch auf 1,5 Grad begrenzen, hängen leider einer Illusion an. Es ist Wahljahr – doch ein parlamentaristischer Kurswechsel „(Klimalisten“) der FFF-Szene wird eher der bunten, phantasievollen Klimagerechtigkeitsbewegung die Zähne ziehen als dass sie das reale Kräfteverhältnis verschieben wird. Aus dem Weg der einst aus außerparlamentarischen Bewegungen entstandenen „Grünen“ ließe sich dazu einiges lernen. Bücher zum Thema Klimawandel sind in meinem Shop hier zu finden: https://www.ziegelbrenner.com/?s=klimawandel&submit=Search

Wie wollen wir künftig leben? Diese Frage wird nicht zuletzt auch in stadtpolitischen Bewegungen intensiv verhandelt. Auf meine Bücher zum Thema Stadtplanung und Stadtentwicklung habe ich bereits im letzten Einwurf hingewiesen, aufgrund der Brisanz der forcierten Gentrifizierung (aber auch der Bedeutung der vielfältigen Gegenbewegungen) möchte ich das hier nochmals nachdrücklich tun: https://www.ziegelbrenner.com/produkt-kategorie/buecher/staedtebau-stadtentwicklung/. Apropos Gentrifizierung: ich habe noch ein Exemplar des wunderbaren Filmklassikers „Die Strategie der Schnecke“ im Angebot, wer zuerst kommt…: https://www.ziegelbrenner.com/produkt/die-strategie-der-schnecke-la-estrategia-del-caracol/

„Wahlen ändern nichts, sonst wären sie verboten“, so lautete der Text eines Aufklebers des (leider schon vor etlichen Jahren verstorbenen) Grafikers Peter Rose, den ich um 1990 herum – nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Anschlusses der DDR – vertrieb. Auch wenn man nicht so weit gehen mag, so ist die Fixierung (bzw. Gleichsetzung) demokratischer Vorstellungen auf Parteipolitik doch allemal eine arge Reduzierung. Aus radikaldemokratischer Perspektive gibt es im Gegenteil genug Gründe für eine Kritik des Parlamentarismus. Dies zeigt auch das ebenfalls vor dem Hintergrund des DDR-Beitritts herausgegebene Sonderheft der „Graswurzelrevolution“: https://www.ziegelbrenner.com/produkt/graswurzelrevolution-nr-146-47-48-wer-waehlt-hat-die-eigene-stimme-bereits-abgegeben-sonderheft-zur-kritik-der-parlamentarischen-demokratie/

Wer die aktuellen Entwicklungen kritisch beobachten und kommentieren will, sollte zwischen Fakten & Meinungen ebenso unterscheiden können wie zwischen Fakten & Fakes und zwischen Fakten & Verschwörungsmythen. Das können, wie Zeitungslektüren der letzten 18 Monaten mir jedenfalls offenbarten, nur noch die wenigsten Journalist*innen. Da überrascht es nicht, dass nicht einmal mehr die Hälfte der 15jährigen Schüler*innen zwischen Fakten und Falschinformationen unterscheiden können, wie eine Sonderauswertung der Pisa-Studie von 2018 durch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung unlängst zeigte. Kein Wunder: jede/r Fünfte hatte im Alter von 15 Jahren in der Lesekompetenz gerade einmal Grundschulniveau erreicht, und die Lesefreude der Schüler*innen in Deutschland hat dieser Studie zufolge zwischen 2009 und 2018 deutlich abgenommen. Seit Jahren mahnt die OECD die deutsche Bildungsungleichheit an, weltweit sind hier die Zusammenhänge zwischen sozialer Herkunft und Schulerfolge am größten. Mensch mag sich angesichts zunehmender Digitalisierung des Schulunterrichts und der Verschärfung sozialer Spaltung – nicht zuletzt durch die C-Maßnahmen – nicht ausmalen, wie diese Entwicklung weitergehen wird, und welche Folgen sie haben wird. Einmal mehr zeigt sich: Lesen – und dies meint angesichts der Komplexität der Sachverhalte eben nicht zuletzt die Lesefähigkeit von Texten, die länger sind als eine Twitter-Mitteilung – ist der Schlüssel zur Erschließung der Welt. Doch lässt sich dieser Schlüssel angesichts eines exklusiven Bildungswesens vielfach nicht mehr schmieden. Wenig hilfreich ist es, wenn jene, die in der Folge Fake News aufsitzen und arg vereinfachenden Welterklärungsvorstellungen aufsitzen – was übrigens keinesfalls nur ein Unterschichten-Phänomen ist – nun der billigen Verachtung und Verhöhnung preisgegeben werden.

Irgendwo las ich einmal, dass es mehr Island-Krimis auf dem deutschsprachigen Buchmarkt gibt, als jemals Morde auf dieser Insel geschahen. Jahrzehntelang wurde Kriminalliteratur als bloße Unterhaltungsliteratur rezipiert. Dabei tragen nicht nur die skandinavischen Krimis – wer denkt da nicht gleich an Sjöwall/ Wahlöö – oft eine gute Portion Gesellschafts- und Sozialkritik in sich. „Die Welt ist nicht in Ordnung, und gute Krimis erzählen davon, wie und wo es hakt. Krisengeschichten, die den Geist schärfen: Das kann das Genre“, so die Verlegerin Else Laudan (https://www.boersenblatt.net/archiv/1588210.html). Ich gebe zu, ich mag Krimis. Wem es ebenso geht: https://www.ziegelbrenner.com/produkt-kategorie/buecher/krimis-thriller/

Lange Abende eignen sich gut für ausgedehnte Koch-Sessions. Der Wursthersteller Rügenwalder Mühle bezeichnet sich als Vegan-Marktführer, Tiefkühl-Marktführer Iglo hat eine Vegan-Reihe im Sortiment, Discounter wie Penny propagieren den Veganuary, und nur die AfD-Bratzen regen sich noch darüber auf, wenn eine Uni-Mensa oder ein Autokonzern mal die Currywurst aus den Kantinen verbannt. Meine Kochbuch-Rubrik bietet nicht „nur“ Vegetarisches/ Veganes, aber doch eine Menge Infos zur Ernährungskultur und viele Anregungen für eine gesunde, gemüsereiche Küche: https://www.ziegelbrenner.com/produkt-kategorie/buecher/ernaehrung-kochen/

Erfreulichen Anklang findet immer wieder mein Name: die Zeitschrift „Ziegelbrenner“ ist erstaunlich vielen Menschen ein Begriff. Mich selbst haben die Bücher von B. Traven in meiner Jugend stark geprägt. Nicht zuletzt hat Traven meine Sensibilisierung für globale Ungleichheiten geschärft. Ich versuche daher, immer einige Bücher von und zu Ret Marut/ B. Traven aufzustöbern. Schnelles zugreifen lohnt sich – die Bücher sind immer wieder schnell verkauft. Mein aktuelles Angebot dazu siehe https://www.ziegelbrenner.com/produkt-kategorie/buecher/ret-marut-b-traven/

Enden möchte ich mit meiner schon klassischen Einwurf-Rubrik: es gibt sie noch, die guten Buchläden!

Z.B. in Bremen: „Golden Shop“(Fehrfeld 4) ist nun der erste Buchladen, den ich zum zweiten Mal vorstelle, auch weil mir immer wieder Menschen begeistert von diesem Laden (den ich selbst kenne) erzählen. Nun hat der Laden auch einen kleinen Verlag auf die Beine gestellt, wo z.B. diese sehr gute Graphic Novel erschien: https://thegoldenpress.org/produkt/valentin/

Z.B. in Zwolle (Niederlande): immerhin darf ja gerade gereist werden, und aus meiner Perspektive sind es dorthin gerade mal gut 200 Kilometer. Zwolle war lange ein niederländisches Zentrum der Buchdruckerkunst. „Waanders“ (Achter de Broeren 1-3) ist passenderweise in einer ehemaligen Kirche untergebracht, die etwa zur Gründungszeit des modernen Buchdrucks herum entstand. Auch wenn die schon räumlich beeindruckende Buchhandlung neueren Datums ist – auch Gründer Wim Waanders ist gelernter Drucker.

Z.B. in Bredevoort (Niederlande): wo man denn schon mal in den Niederlanden ist – von Zwolle sind es knapp 100 Kilometer – kann man gleich ein ganzes Bücherdorf besuchen („Bücherstadt“ nennt sich der Ort mit gerade mal 1.500 Einwohner*innen selbst), wo rund 30 Antiquariate, Buchläden und Galerien zu besichtigen sind. Da lässt sich locker ein ganzer Tag, wenn nicht mehr Zeit, sehr mußevoll verbringen. Infos auf der Homepage: https://www.bredevoort.nu/

Z.B. in Tübingen: mir glückte es einst nicht mit dem Anares Buchvertrieb mit der Umwandlung in eine Genossenschaft, aber die Buchhandlung „Gastl“ (Am Lustnauer Tor 7) hat es geschafft: eine Genossenschaft hat den Fortbestand dieser Buchhandlung gesichert. Klar hat der mehrmals mit dem Deutschen Buchhandlungspreis ausgezeichnete Laden auch eine Homepage, der physische Besuch lohnt aber allemal, u.a. in den Bereichen Philosophie und Soziologie gibt es einiges zu entdecken.

In diesem Sinen: lebt & lest

Es grüßt

Der Ziegelbrenner

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