Fünfzigster Einwurf des Ziegelbrenners

Der Krisen-Einwurf (Krieg, Corona und der ganze Rest)

Liebe lesende Menschen,

knapp drei Monate sind seit dem letzten Einwurf vergangen, und trotz des kleinen Einwurf-Jubiläums ist mir nicht zum Feiern zumute, denn – Vorsicht, Manöverkritik (ich will doch zumindest begrifflich einmal mit der Zeit gehen) – der Virenwahn (nun rassistisch konnotierte „Affenpocken“, Warnungen vor dem „Coronaherbst“ etc.) geht weiter. Und der Krieg geht weiter, begleitet vom Tenor einer angeblichen „Zeitenwende“, mit der man, nun aber auch wirklich, das „Ende der Geschichte“ herbeibomben will. „Der Russe“ hat für alle Zeiten „ruiniert“ zu werden, und sei es auch unter Inkaufnahme der Gefahr eines Atomkrieges. Es ist ein deutliches Signal des Kulturbetriebs, dass die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller („Leichen sind für Putin das Gewöhnliche“ – was bislang wohl für jeden Kriegsherrn zutraf, allerdings ist Müller dafür auf dem ukrainischen Auge blind) – nun in Berlin für ihre „Verdienste um Wissenschaft und Kunst“ mit einem Orden (Pour le mérite) ausgezeichnet wurde. Mit Boykott wird gerade der innerrussische Protest gegen den Krieg (den es sehr wohl gibt!) geschwächt, und die Logik von Waffen ist immer nur: noch mehr Waffen. Das sollte man aus der Geschichte gelernt haben, so wurden aus den afghanischen, mit West-Waffen zugeschütteten „Freischärlern“ gegen Sowjetrussland die Taliban. Da die meisten Waffen nun den von Rechtsextremen dominierten ukrainischen Freiwilligenverbänden zu Gute kommen, kann man sich leicht ausrechnen, wie die Geschichte weitergehen wird… Asyl kriegen russische Deserteure in Deutschland übrigens nicht, während Geflüchtete aus der Ukraine – so wie es bei allen Geflüchteten gleich welcher nationalen Herkunft doch eigentlich sein sollte – willkommen geheißen und nach Kräften von einer (allzu oft allerdings leider reichlich kriegslüsternen, wenn es gen Russland geht) „Zivilgesellschaft“ unterstützt werden. Das alles hat mich wieder zum Stift – bzw. den Tasten – greifen lassen, so dass in wenigen Tagen das Buch Nie wieder Krieg ohne uns – Deutschland und die Ukraine“ erscheinen wird. Es darf ab sofort bestellt werden!

Auch mein anderes Publikationsthema der letzten Monate, die Politik rund um das Coronavirus und die Pandemie-Maßnahmen, bleibt traurig aktuell. Manöverkritik: ausgerechnet das Robert Koch Institut (von seiner Gründungsgeschichte an übrigens stark militärisch geprägt), dass doch lange auf Seiten der ganz großen Lockdown-Koalition stand, sieht verbreitete psychische Probleme. Ja, das RKI nimmt (natürlich ohne an sein eigenes Verhalten und Versagen der letzten Monate zu erinnern, geschweige denn dafür Verantwortung zu übernehmen) geradezu epidemisch sich verbreitende depressive Störungen in der Gesellschaft wahr – und empfiehlt, Gipfel der Ironie angesichts monatelang verschlossener Sportvereine, „Bewegung und Bewegungsförderung“, „soziale Einbindung und Unterstützung“ (wie war das nochmal mit „Stay at home“?) und, nach ewig erscheinenden Monaten dauerhafter Panikmache, „Stressmanagement“. Unglaublich! Da doch lieber mein Buch lesen, in dem ich u.a. bereits über ein Jahr vor dem offenbar von Amnesie befallenen RKI auf die keineswegs überraschenden Folgen der Maßnahmen einging.

Die „Anarchistische Buchmesse Mannheim“ war erfreulich gut besucht. Weniger fruchtbar war meine – zugegeben polemisch formulierte – Veranstaltung auf der Messe zu den „Zeugen Coronas“, in deren Diskussion die beliebte, wenn auch unzutreffende argumentative Totschlagkeule unterstellter Nähe zu Verschwörungstheorie hervorgeholt wurde. Was dran ist, mag jede/r selbst beurteilen, denn ich habe das Vortragsskript nun nachlesbar für alle, die nicht in Mannheim waren, online veröffentlicht. Für reise- (solange es erlaubt ist) wie lesewütige Menschen stehen bereits die nächsten A-Buchmessen an, im August in Montreal, im September dann in New Yorkim kanadischen Halifax sowie in London und im Oktober schließlich in Amsterdam. Auch wenn nicht gerade Hoch-Zeiten für anarchistische Praxis sind – solche Veranstaltungen boomen derzeit geradezu. So lauert vielleicht unter dem Pflaster doch noch der Strand – Revolten waren, zum Verdruss von Generationen von Politik- und Sozialwissenschaftler*innen, schließlich noch nie ordentlich vorhersagbar…

Doch apropos „Verschwörungstheorie“: kommen wir zur Manöverkritik. Mit dem epidemischen Verweis, all das, womit man sich nicht beschäftigen mag, als Verschwörungstheorie zu denunzieren, manövriert sich eine einst sich kritisch gebärdende linke Szene selbst in die Sackgasse. Manchmal kommt, dumm gelaufen, hinter vermeintlichen „Verschwörungstheorien“ weder Verschwörung noch Theorie, sondern handfeste Praxis zum Vorschein. Linke Theorie, die dies ignoriert, ist weder links, noch Theorie, bloß Wunsch- oder Traumdenken. Das heißt nicht, nun Verschwörungstheorien zu ignorieren, sondern im Gegenteil, reale und gefährliche Verschwörungsmythen gerade ernst zu nehmen, indem man die Begriffe eben nicht aus durchsichtigen Gründen verschleiert. Keine Verschwörungstheorie ist, dass die Corona-Impfungen ein biotechnologischer Großversuch sind, mit dem Konzerne Milliardengewinne machen, ohne für Risiken, Impfschäden etc. in Haftung genommen zu werden. Keine Verschwörungstheorie ist auch, das Pharmaunternehmen in ihren Versuchen auch Tote in Kauf nehmen. Die Journalistin Gaby Weber hat zu Menschenversuchen mit Gen-Viren in Argentinien recherchiert. Man muss nicht die These teilen, dass das Coronavirus ein Laborunfall war – der Faktencheck zu „Big Pharma“ zeigt aber, dass sowohl die Weltgesundheitsorganisation WHO wie auch die Biotech-Forschungsinstitute und die Pharmakonzerne keineswegs die „Guten“ sind, als die sie in der Öffentlichkeit, bis hin zur „linken“ „Zero Covid“-Fraktion dargestellt werden. Die Corona-Maßnahmen bleiben weiterhin ein wichtiger Bestandteil meiner Manöverkritik: die deutsche Debatte um eine allgemeine Corona-Impfpflicht ruht derzeit zwar – in der beabsichtigten Form schien sie nicht umsetzbar -, der Kadaver dieses albernen Plans ist aber noch nicht entsorgt; und eine einrichtungsbezogene Impfpflicht ist ja auch in Kraft, dem im Gesundheits- und Pflegesystem eh schon eklatanten Personalmangel zum Trotz. Sicher: wer impft, muss, so wohl die Hoffnung, jedenfalls das Gesundheits- und Pflegesystem nicht besser ausstatten. Und schöne Profite für die Pharmakonzerne sind weiterhin garantiert. Man könnte von Österreich lernen: dort wurde im Februar 2022 die Impfpflicht beschlossen (jedoch ohne Sanktionen) – um sie im nächsten Monat gleich auszusetzen. Nun wurde sie im Juni endgültig wieder abgeschafft. Meine Kritik an der Impfpflicht habe ich in einer Broschüre publiziert. Clemens Heni stellte das Heft in seinem Blog vor. „Sehr präzise geschrieben“ sei diese Publikation, und sie enthalte „alle wesentlichen Aspekte“ zum Thema, so lobte der Kabarettist Arnulf Rating.

Was fehlt? Ganz sicher das Thema „Klima“ – ich werde in einem der nächsten Rundbriefe darauf zurückkommen, auch „Dank“ des Embargos gegen Russland (dass, wie bei solchen Boykottaktionen üblich, in erster Linie die Zivilbevölkerung treffen wird) ist dieses Thema aktueller denn je. So war die erste deutsche Sorge bei der Wahl des linksgerichteten Politikers Petro zum kolumbianischen Präsidenten, der die Ausbeutung der Rohstoffe bremsen will, dass nun der Nachschub an Kohle (die man aufgrund der Sanktionen nun aus Kolumbien importieren will) womöglich nicht im gewünschten Maß stattfindet. Steinkohle! Fossiler Brennstoff! Aus Kolumbien! Super, so schafft die Menschheit am Ende doch noch die 3,5 Grad globaler Erwärmung!

Neulich bei der Post: ich bekomme keine Briefmarken (da es mir stilvoller erscheint und ich vielleicht auch altmodisch bin versende ich gerne mit „richtigen“ Marken). Die Briefmarkenlieferung, die die „Postagentur“ (kaum irgendwo, wo Post draufsteht, ist wirklich noch eine Post drin) für zwei Wochen zugeteilt(!) bekommt, reichte nur für eine Woche. Und das, obwohl der Bedarf im Jahresmittel (abgesehen von der Vorweihnachtszeit) den Erfahrungen der Mitarbeiterin nach annähernd gleichbleibend ist, also einfach mehr hätte geliefert werden müssen. Doch die Zuteilung werde immer willkürlicher, absurder, die Lieferungen reichen nicht mehr annähernd bis zur nächsten Lieferung, „wie in der DDR“ (mit dem Unterschied, dass die Post dort meist schneller zustellte). Die Zustände bei den „Postdienstleistern“ werden ohnehin seit Jahren immer katastrophaler, so dass man kaum mehr von „Dienstleistung“ sprechen kann. Kollegen verschicken Bestellungen teilweise gar nicht mehr als Brief- oder Büchersendung (bzw. nur „auf Risiko des Käufers“, da zu viele Bücher- und Warensendungen verloren gehen.

Der versicherte Paketversand (inkl. Möglichkeit der Sendungsverfolgung) ist allerdings deutlich teurer, bei einer Einzelbestellung der oben genannten Impfbroschüre etwa lägen die Versandkosten über dem Artikelpreis, und wer will dies zahlen? Immerhin bekomme ich keine Sonderkonditionen wie etwa Amazon. Am Schalter meiner „Postagentur“ empfahl man mir dennoch, speziell nach Berlin grundsätzlich per Paket zu senden – immer wieder hört die Mitarbeiterin von „verschwundenen“ Sendungen. Teilweise kommen die selben Postsendungen auch mehrfach wieder an mich zurück mit dem Vermerk „Empfänger nicht zu ermitteln“, obwohl auf den Sendungen deutlich drauf steht, dass die Adresse einwandfrei und von der Besteller*in bestätigt ist. Und selbst die Paketlieferung klappt nicht immer einwandfrei. DHL & Co. setzen Subunternehmer ein, die – kein Witz – teils derart wenig alphabetisiert sind, dass sie die Straßenschilder als Bilder auf dem Handy bekommen, um überhaupt eine Chance zu haben, die Adressen zu finden. Klar, für viele Migrant*innen sind die Zustelljobs die einzige Möglichkeit, überhaupt an eine bezahlte Tätigkeit zu kommen – ihnen sind keine Vorwürfe zu machen, sie müssten einfach vor dem Arbeitsbeginn oder wenigstens berufsbegleitend entsprechend (bezahlt) geschult und eingearbeitet werden. Kurzum: müssen kleine Verlage und Buchversender wie „Der Ziegelbrenner“ künftig die Zustellung selbst übernehmen? Vielleicht bestimmte Routen alle 1, 2 Wochen abfahren? Viel schneller sind Post & Co. oft ohnehin nicht mehr, bei Bücher- und Warensendungen etwa spricht die Post von „bis zu 3 Wochen Zustellfrist“.

Immerhin, so lange Bücher überhaupt noch erscheinen… Ein bleibendes Problem ist, wie seit Monaten schon (ich berichtete darüber) der Papiermangel. So werden Neu- und insbesondere auch Nachdrucke verschoben, und die Bücher werden teurer. Damit nicht genug, weltweit steigt die Zensur. So wird in Ungarn seit letztem Jahr der Verkauf von Kinderbüchern durch das LGBTQ-Gesetz erschwert, das insbesondere sexuell nicht-normative Sichtweisen diskreditiert und den Verkauf von „anstößigen“ und z.B. Homosexualität thematisierenden Büchern unterbinden will. In den USA werden immer mehr Bücher unter dem Vorwand des „Kinderschutzes“ verboten, darunter auffallend viele, die sich mit den Erfahrungen von „Minderheiten“ (Schwarze, Latinos) oder LGBTQ-Menschen beschäftigen, die das „Christentum beleidigen“, oder die von Autor`*innen mit lesbischen, schwulen, queeren etc. Hintergrund geschrieben wurden. Aus Protest gegen diese Entwicklung ließ die Autorin Margaret Atwood eine feuerfeste Ausgabe ihres Romans „The Handmaid´s Tale“ (deutsch: Der Report der Magd, für 12 Euro im Buchhandel und beim Ziegelbrenner zu bestellen) versteigern. Diese 1985 geschriebene Dystopie ist bis heute höchst lesenswert und bedrückend aktuell, geht es hier doch um eine Welt, in der religiöse Fanatiker*innen durch einen Putsch in den USA an die Macht kommen, Frauen nur noch Gebärmaschinen und Abtreibungen verboten sind, was nicht nur von der US-Realität (siehe den „Sturm auf das Kapitol“ 2021) von heute nicht weit entfernt scheint. So haben vergewaltigte, geflüchtete ukrainische Frauen auch im EU-Mitgliedsstaat Polen keinerlei Möglichkeit zu einer Abtreibung. Immerhin, das global meistübersetzte Buch ist nicht die Bibel, auch nicht die „Bibel“ der Scientology Church – es ist „Der kleine Prinz“ (382 Sprachen!), gefolgt von „Pinocchio“ und „Alice im Wunderland“.

Und sonst? Ich freue mich über die Gründung der „Stiftung Günter Zint“ und weise in diesem Zusammenhang auch nochmals auf meinen 2018 publizierten Katalog zu G. Zint hin.Geht es um das Coronavirus oder den Krieg in der Ukraine, so zählt plötzlich jedes (jedenfalls „weiße“/ mitteleuropäische/ ukrainische) Menschenleben – vermeintlich, denn wie das mit noch mehr Waffen gehen soll, muss mir erstmal jemand erklären. Der herausposaunte Humanismus hat ohnehin nicht einmal das Fundament eines Potemkinschen Dorfes (der russische Panzerkreuzer Potemkin war übrigens 1905 Ort einer beeindruckenden kollektiven Befehlsverweigerung – eigentlich ein schönes Beispiel für heutige Zeiten). Wie humanitär ist eine Staatengemeinschaft, die Menschen, die Tausende von Menschenleben retten, als „Kriminelle“ stigmatisiert und mit jahrelangen Haftstrafen bedroht? Der Krieg in der Ukraine hat geschätzten bisher rund 40.000-50.000 Menschenleben gekostet, was schrecklich ist. Wenn aber ein Drittel dieser Zahl von einer Seenotorganisation gerettet wird (allerdings keine Ukrainer*innen), so ist das eine Straftat. Was für eine widerwärtige Doppelmoral!

Buchladen-Tipps habe ich diesmal keine – das wird nachgeholt, sobald ich von Euch Einwurf-Lesenden mit neuen Tipps versorgt werde!

Noch nicht abgeschlossen ist der Umzug meines Bücherlagers, ich bitte Lieferverzögerungen daher zu entschuldigen. „Große Sammlung verwirklicht, alles gut sortiert und immer griffbereit zu haben“ (aus der Bedienungsanleitung einer chinesischen Handwerks-Ausstattungsfirma), ja, das ist dann auch das Ziel im neuen Bücherlager.

Es grüßt

Der Ziegelbrenner

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