Dreizehnter Einwurf des Ziegelbrenners

Buch? Handel? Zukunft? – Anmerkungen zur Buchkultur, Teil II

Neulich bei einem christlichen Veranstaltungshaus: es fand wieder einmal der große halbjährliche Buchmarkt statt, für den das Haus auch zu Buchspenden aufruft. Nach dem Ende rollte ein großer Container heran, der rund 20 Kubikmeter umfasst. Die übriggebliebenen Bücher wurden mit einer Rutsche direkt vom Ausstellungssaal des ersten Stockes in den Container befördert. Macht nichts, denn bis zum nächsten Markt werden wieder reichlich Spenden ins Haus geschleppt worden sein (die „aus lagertechnischen Gründen nur in Bananenkisten angenommen werden“). Einmal mehr wird hier deutlich gezeigt: Bücher sind einfach nichts mehr wert, es gibt ein „Überangebot“. Warum macht man sich überhaupt noch die Mühe, Papier zu bedrucken, das unbedruckt doch ebenso viel (oder wenig) wert wäre? So werden täglich Büchermassen vernichtet, im Westen der Republik wie im Osten (wo sie nach der „Wende“ untergepflügt wurden, denn kompaktes Papier brennt nicht so gut wie man gemeinhin annehmen könnte). Eine Kultur, die den Wert des Buches derart mißachtet braucht nicht einmal mehr eine Bücherverbrennung: Monat für Monat werden heute erheblich mehr Bücher zerstört als es der Nationalsozialismus in seiner gesamten Zeit zu tun vermochte. Mehr dazu in Teil III meiner kleinen Reihe „Buch? Handel? Zukunft?“ im Rahmen meiner Einwürfe.

„In der wirklich verkehrten Welt ist das Wahre ein Moment des Falschen“, schrieb Guy Debord in „Die Gesellschaft des Spektakels“ (das Buch ist für 20 Euro auch bei mir zu haben). Die Kritik der Gesellschaft des Spektakels ist knapp 50 Jahre nach dem erstmaligen Erscheinen aktuell wie eh und je. Stolz sind die Organisatoren der Frankfurter Buchmesse darauf, dass sie mit über 10.000 Büchern im Oktober 2015 den Weltrekord im „Bücher-Domino“ aufgestellt haben. Auf so was blödes muss man erstmal kommen: Bücher umwerfen als Event auf einer Veranstaltung, die doch eigentlich eine Leistungsschau literarischer wie gestalterischer Vielfalt sein sollte. „12 Stunden Arbeit, eine Minute Spaß“ (Süddeutsche Zeitung 15.10.15) – wenn das mal kein ausgewogenes Verhältnis ist. Wie schön, so werden die Menschen im Taumel von Warenfetischismus und Zerstreuung gehalten, im Anrennen gegen die innere Leere, auf dass keiner auf dumme Gedanken komme, wo doch, wie Debord schrieb, „die Unzufriedenheit selbst zu einer Ware geworden ist“. Brot und Spiele also. Eine lebendige Buchkultur jedenfalls stelle ich mir anders vor. Immerhin, von einer gewissen Originalität zeugt noch die Liste der meistgeklauten Bücher auf der Buchmesse (nach Angaben der Verlage), darunter u.a. „Fragmente einer Sprache der Liebe“ von Roland Barthes (Suhrkamp), „Die Psychologie der Untreue“ (Klett) und „Kiffen und Kriminalität“ (Herder) – an die VerlegerInnen unter meinen LeserInnen: was ist bei Euch das meistgeklaute Buch?

Man kann gute Dinge auch kaputtsanieren. Das gilt auch für das ZVAB. Zwar war diese antiquarische Plattform schon länger in Amazon-Hand, doch blieb sie auch hier die übersichtlichste und für AnbieterInnen wie KundInnen benutzungsfreundlichste Buch-Plattform. Das hat sich nun geändert. Die Seite ist optisch unübersichtlicher geworden, auch bezüglich der Suchoptionen, die Abbildungen rücken in den Vordergrund (umso mehr fallen Titel auf, zu denen es keine Abbildungen gibt). Die Seite genügt nicht den rechtlichen Minimalstandards (anzunehmen ist, dass die vermutlich folgenden teuren Abmahnungen auf die anbietenden Antiquariate abgewälzt werden). Die Kosten für AnbieterInnen sind mal eben um gut 30% gestiegen, und es gibt eine alberne Verkäuferbewertung (deren einziges Kriterium die Erfüllungsrate ist). Schlimmer für die KäuferInnen: nun gibt es nicht mehr individuelle Versandkosten, sondern vom ZVAB festgelegte, was vor allem BestellerInnen aus dem Ausland verärgern dürfte, da die Kosten nun oft absurd hoch sind. Die bequeme Möglichkeit der PayPal-Zahlung wurde kurzerhand gestrichen, ZVAB/ Abebook/ Amazon will die AnbieterInnen zu teureren Kreditkarten-Abrechnungen zwingen. Da hilft nur eins: die eigenen Homepage – dort sind die Versandkosten teilweise deutlich günstiger, und auch die PayPal-Zahlung ist weiterhin möglich. Zur Rubriken-Übersicht geht es hier: http://www.ziegelbrenner.com/produkt-kategorie/buecher/.

Auch ZVAB-Konzermutter Amazon bleibt ein Ärgernis. Abermals werden mehr der umstrittenen „Saison-Einstellungen“ für das Weihnachtsgeschäft vorgenommen als im Vorjahr. Die Personal-Abteilung arbeitet mit Methoden wie zu Zeiten des Manchester-Kapitalismus. Schon die 2013 erstellte BBC-Dokumentation „The Truth Behind the Click“ belegte, dass Amazon-MitarbeiterInnen ein erhöhtes Risiko für psychische und physische Schäden haben. Doch eine Initiative wie die der „Alliance of Radical Booksellers“ (http://www.radicalbooksellers.co.uk/?page_id=304) fehlt hierzulande bisher. Da Buchhandlungen in der BRD die meisten Titel (jedenfalls die meistverkauften) Titel binnen eines Tages liefern können, versucht Amazon hier das Wasser abzugraben, indem die Lieferung nun in einigen Städten noch am selben Tag möglich ist – da halbwegs vernünftig bezahlte gewerbliche ZustellerInnen dazu zu teuer und „unflexibel“ sind, soll die Lieferung nun zunehmend durch Privatleute erfolgen. Das Amazon die ganze Wertschöpfungskette des Buchmarktes, von den AutorInnen angefangen, im Internet zu kontrollieren versucht, ist nicht neu. Nun gibt es Amazon auch offline: in Seattle eröffnete der Konzern seinen ersten Buchladen.

Doch es gibt sie noch, die guten Buchläden. Drei Empfehlungen von LeserInnen meiner Einwürfe, die ungenannt bleiben wollen. Ein Leser zum Buchladen Jos Fritz in Freiburg (Wilhelmstr. 15) kurz & bündig: „bester Buchladen!“. Jos Fritz ist mit seinen gut 40 Jahren eine der ältesten noch bestehenden linken Buchhandlungen im Lande und verfügt auch über ein nettes Café. Ein anderer Leser nennt Het Fort van Sjakoo in Amsterdam (Jodenbreestraat 24), dessen umfassendes Angebot „an eine anarchistische Büchermesse erinnert“ und der seinem Zusatz „International Bookshop“ voll & ganz gerecht wird. Im Gegensatz zu vielen linken Buchläden liegt dieser Buchladen in einer gut besuchten Hauptstrasse. Weitere niederländische Buchhandlungen werde ich in einem der nächsten Newsletter vorstellen. Und eine Leserin ist begeistert vom Buchladen Rote Zora im saarländischen Merzig (Poststrasse 22), der mittlerweile auch eine Filiale im benachbarten Losheim hat und zeigt, wie man mit viel Herzblut auch in kleinstädtischem Umfeld eine wunderbare Buchhandlung mit ausgewähltem Angebot betreiben kann. Die mit dem Deutschen Buchhandelspreis 2015 ausgezeichnete Buchhandlung ist vor allem in der Literatur- und Leseförderung für Kinder & Jugendliche engagiert. An dieser Stelle nochmal vielen Dank dafür, dass ihr mich immer wieder mit tollen Buchladen-Hinweisen versorgt! Und was ist Eure Lieblingsbuchhandlung?

Es grüßt Der Ziegelbrenner

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PS: Wann, wenn nicht in Herbst und Winter, ist Lese-Zeit? An drei aufeinanderfolgenden Freitagen & Samstagen werde ich auch das Bücherlager wieder öffnen, das erste mal am 4./5. Dezember – siehe auch https://www.facebook.com/events/1089805494397982/. Passend zum Thema – wo doch Undergroundpublikationen in der Anares-/ Ziegelbrenner-Geschichte stets einen wichtigen Stellenwert hatten – empfiehlt sich in Bremen auch der Besuch der Ausstellung „Unter dem Radar“ (http://www.weserburg.de/index.php?id=882&L=0). Gleich zwei gute Gründe also, nach Bremen zu kommen. Ich freue mich über Euren Besuch!