Siebenunddreißigster Einwurf des Ziegelbrenners

Der Leseherbst–Einwurf

Liebe Freundinnen und Freunde des gedruckten Buches,

diesmal habe ich unter anderem einige Lektüretipps zusammengestellt (auch auf einige Rubriken meines Sortiments), denn die Jahreszeit bietet in den nächsten Monaten sicher die Muße, sich verstärkt wieder guter Literatur zu widmen und über grundsätzliche Fragen gesellschaftlichen/ globalen Zusammenlebens zu reflektieren. Anstöße – oder auch Notwendigkeiten – zu Letzterem liefert die gegenwärtige Realität allemal. Und ich denke, ein aus einem gesellschaftskritischen Medienvertrieb hervorgegangenes Projekt wie Der Ziegelbrenner kann – und muss – dazu einiges an Anregungen liefern. Denn Bücher sollten, so meine Überzeugung von Beginn an, nicht nur Beruhigungspillen sein – sie sollen auch verstören, irritieren, ermuntern, aufrütteln. In diesem Sinne: bleibt neugierig, wachsam, kritisch & eigensinnig.

Einleitend möchte ich nochmals auf meine kleine Gutschein-Aktion hinweisen: ab 20 Euro Einkaufswert auf meiner Homepage gibt es bis zum 31.12. einen von 999 5-Euro-Gutscheinen (solange Vorrat reicht). Wann, wenn nicht jetzt, den Büchervorrat für die langen herbstlichen und winterlichen Leseabenden anlegen? Siehe https://www.ziegelbrenner.com/.

Hinweisen möchte ich ebenso erneut auf das von mir mitverfasste Corona-Buch, siehe https://www.ziegelbrenner.com/produkt/corona-und-die-demokratie-eine-linke-kritik/. Das Buch war von vornherein eine Intervention zum tagesaktuellen Geschehen, es kann also noch keine grundlegende Analyse liefern. Doch viele unserer Thesen finden seither eine Bestätigung. So sind vor dem Virus eben nicht alle gleich, am ärgsten trifft das Virus vielmehr global die ärmeren Bevölkerungsschichten. Ursache dafür ist der Kapitalismus, nicht nur in Bezug auf das profitorientierte Gesundheitssystem. Es wäre Zeit für eine umfassende gesellschaftlich-ökonomische Transformation, die, mindestens, am Ziel einer gemeinwohlorientierten Postwachstumsgesellschaft orientiert sein müsste. Die historische Chance dafür wird schlecht genutzt, auch deshalb, weil sich gerade viele linke Bewegungen selbst in eine Schockstarre begeben haben, mindestens in den klassischen Industriestaaten. Von einem „Dilemma“ schreibt etwa die aus dem „Kommunistischen Bund“ hervorgegangene Zeitschrift „analyse & kritik“, da man doch die Corona-Maßnahmen nicht infrage stellen dürfe. Wer so argumentiert – schon aus Angst vor Rechten bzw. der offenkundigen Unfähigkeit, sich konzeptionell klar mit grundsätzlicher Kritik gegen diese abzugrenzen – gibt sich in der Tat selbst preis. Insofern empfehle ich weiterhin unser Buch, dass eine fundamentale Kritik mit Verweisen auf mögliche Alternativen zu liefern versuchte, auch wenn – oder weil – es sich nun in manchen Teilen aufgrund seines frühen Erscheinungstermins als Zeitkommentar liest. Kleiner Appetizer gefällig? Im „Freitag“ erschienen zwei Kritiken unseres Buches: https://www.freitag.de/autoren/elisvoss/kritik-an-corona-massnahmen-von-links und https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/was-das-virus-ausloest.

Wenn die Chancen einer gesellschaftlichen Transformation – um nicht zu sagen: Revolution – , die es nun gäbe, nicht genutzt werden, so könnten sich die Befürchtungen des israelischen Schriftstellers David Grossman sich bewahrheiten: Grossman äußerte bei seiner Rede auf der Frankfurter Buchmesse, dass wir „Zeuge einer Welle des Nationalismus, religiösen Fundamentalismus, der Fremdenfeindlichkeit und des Rassismus werden könnten“. In diesem Sinne begreift Grossman das Schreiben auch als Akt des Widerstandes gegen Klischees, leere Parolen, Ausgrenzungen und Vorurteile – was als Leitmotiv auch über der Buchauswahl des Ziegelbrenners stehen könnte, nicht nur in Corona-Zeiten.

Doch nun Schluss mit Corona, wenigstens für diesen Einwurf, es gibt schließlich noch andere Themen.

Bis zum März 2020 war für einige Monate der Klimawandel ein Topthema. Weiterhin gibt es Gründe genug, sich diesbezüglich zu beunruhigen. Man muss kein Fan von Greta Thunberg sein, doch ihr Appell „Ich will, dass ihr in Panik geratet“ hatte seine Berechtigung. Indessen wurde Panik ab März in eine ganz andere Richtung staatstragend kanalisiert, in eine Panik, die zur Lähmung führt(e). So gucken alle auf Infektionszahlen, während sich die Erde weiter aufheizt, bis hin zur Unumkehrbarkeit. Dramatisch derzeit zu beobachten bei den tauenden Permafrostböden. Auch für das Eis am Nordpol scheint es keine Rettung mehr zu geben. Bücher zum Thema gibt es in meinem Shop unter https://www.ziegelbrenner.com/?s=klimawandel&post_type=product. Immerhin sind seit einiger Zeit vermehrt Buchhandlungen und Verlage für die Umweltproblematik sensibilisiert – ob das indessen reicht, angesichts beispielsweise des gigantischen Ressourcenverbrauchs der „neuen Medien“ (bis heute ein weitgehend ignoriertes Thema), muss allerdings bezweifelt werden.

Wenig berichtet wurde, sicher auch aufgrund der allgegenwärtigen Dominanz des C-Themas, von der Rüge der Vereinten Nationen für die EU-Migrationspolitik. Ich empfehle die in meiner Rubrik zusammengestellten rund 200 Medien zum Thema Migration, die nicht zuletzt die Folgen der Abschottungspolitik – d.h. letztlich eines nicht erklärten Krieges gegen die Flüchtlinge – thematisieren: https://www.ziegelbrenner.com/produkt-kategorie/buecher/migration-asyl/. Weiterhin ist die Seenotrettung nötig, sie darf nicht länger behindert, diffamiert und kriminalisiert werden. Unterstützt die entsprechenden Initiativen, z.B. https://seebruecke.org/spenden/.

Auch die mittlerweile transnationale „Black lives matter“-Bewegung muss aufpassen, dass sie sich vom C-Thema nicht beiseiteschieben lässt. Wenn der Gesundheitszustand eines Präsidenten (und die möglichen Folgen für den Kapitalmarkt, oder auch, wie im Sommer, die Kompetenz von Donald Trump, fehlerfrei ein Glas Wasser trinken zu können) von der schreibenden Zunft für wichtiger gehalten wird als Rassismus und Polizeigewalt, dann wird es Zeit für eine Medienkritik, die sich von dumpfen „Lügenpresse“-Vorwürfen natürlich klar abheben muss. Was befürchtet übrigens ein Horst Seehofer, was ans Licht kommen könnte, wenn er das Ausmaß des „Racial Profiling“ erforschen lässt? Da hält er eine solche Studie doch lieber gleich mal für „nicht sinnvoll“. Und das, wo nach und nach immer mehr rechte Netzwerke bei der Polizei publik werden. Im Übrigen bin ich immer wieder verwundert, wie aktuell mein antiquarisches Buchsortiment oft ist (bzw. wie erschreckend wenig sich geändert hat und wie nötig immer noch umfassende Kämpfe um Selbstbestimmung und eine andere, bessere Zukunft sind). „Black lives matter“? Siehe den vor exakt 50 Jahren erschienen Band des Sozialistischen Jahrbuchs: https://www.ziegelbrenner.com/produkt/sozialistisches-jahrbuch-1-ueber-die-organisation-des-befreiungskampfes/.

Längst sind nicht nur MieterInnen von steigenden Mietpreisen, von Spekulation und Verdrängung betroffen, sondern auch viele Projekte (siehe zuletzt in Berlin die Liebigstraße oder auch viele Kiezkneipen) sowie kleine Läden (zuletzt etwa die Frankfurter Buchhandlung Schutt, siehe https://www.boersenblatt.net/news/buchhandel-news/frankfurter-buchhandlung-schutt-erhaelt-raeumungsklage-115671). Nicht zuletzt Corona (sorry…) hat die Verwundbarkeit vieler Menschen und Projekte in Zusammenhang mit den Mietsteigerungen verschärft. Literaturtipps: https://www.ziegelbrenner.com/produkt/mietenwahnsinn-warum-wohnen-immer-teurer-wird-und-wer-davon-profitiert/ und https://www.ziegelbrenner.com/produkt/strategien-gegen-gentrifizierung/.

Auch wichtige Bildarchive sind von den Entwicklungen der letzten Monate stark betroffen. So das linke Umbruch-Archiv (https://umbruch-bildarchiv.org/allgemein/umbruch-braucht-hilfe/) und das u.a. zahlreiche Bilder zur Anti-AKW-Bewegung und den „68ern“ enthaltende Panfoto-Archiv von Günter Zint (https://panfoto.de/). Wenn wir nicht wollen, dass unsere eigene (Bild-)Geschichte unter die Räder kommt – und damit buchstäblich unsichtbar wird -, so sind umfassende und phantasievolle Unterstützungsmaßnahmen erforderlich. Was Panfoto betrifft, so dienen auch die Abverkäufe aus der Bibliothek Günter Zint (https://www.ziegelbrenner.com/produkt-kategorie/buecher/bibliothek-guenter-zint/) mit zur Absicherung dieses Archivs.

Die Bedeutung von Büchern hat sich gerade in den letzten Monaten deutlich gezeigt, als besinnende Freizeitbeschäftigung wie als aufklärendes Medium in Zeiten um sich greifender Verschwörungsmythen. Da ist es ein Ärgernis, dass Literaturformate in den Medien unterdessen immer weiter abgebaut werden. So hat der NDR Deutschlands älteste Literatursendung, das „Bücherjournal“, eingestellt. Weitere Sendeplätze für Bücher gingen in den letzten Jahren u.a. beim Bayerischen Rundfunk, dem SWR und dem ZDF verloren. Eingespart werden soll auch die u.a. von NDR und WDR produzierte literarische Kinder-Hörfunksendung „Ohrenbär“ – dabei wurden derartige Sendungen in den vergangenen Monaten vermehrt gerade erst entdeckt. Mich interessiert:  was lest ihr für Buchzeitschriften, was hört/ sehr ihr an Literatursendungen? Und – welche vermisst ihr?

Apropos, von wegen Bedeutung von Büchern und Vermissen und so: ärgerlich ist ebenfalls die Entwicklung beim Großbuchhändler Libri – Auslieferer für Buchläden – reihenweise „wenig nachgefragte“ Buchtitel auszulisten und bei Büchern mit einem Preis von weniger als 5 Euro den Rabatt zu kürzen. Nun könnte man auf die Idee kommen, Bücher dann direkt beim Verlag zu bestellen. Betriebswirtschaftler reden dieses Ansinnen jedoch regelmäßig den Buchläden aus, da es zu „ineffizient“ sei. Bei vielen Läden kommt die Botschaft an, sie behaupten fälschlich der Kundschaft gegenüber, dass alles was sie von Libri nicht bekommen, „nicht lieferbar“ sei. Der Schriftsteller Fritz J. Raddatz sagte schon vor Jahrzehnten zu dieser nicht neuen – aber nun forcierten – Entwicklung: „Ist ein Titel im Barsortimentskatalog nicht aufgeführt – dann ist er aus der Welt der Bücher verschieden… Ein Leichnam aus Papier. Irgendwo im Verlag dämmert diese Ausgabe dem Reißwolf entgegen“. Vielleicht kann man nicht vermissen, was man nicht kennt – jedenfalls ist diese Entwicklung ein herber Rückschlag in Sachen einer doch dringend förderbedürftigen Bibliodiversität (https://www.ziegelbrenner.com/produkt/bibliodiversitaet-manifest-fuer-unabhaengiges-publiziren/). Immerhin: viele Bücher, die es „nicht mehr gibt“, gibt es beim Ziegelbrenner!

Ein Zeitschriftenhinweis, sozusagen in eigener Sache: in der aktuellen Ausgabe des – in seiner Weiterexistenz derzeit übrigens massiv gefährdeten – Musikmagazins „Folker“ ist auch ein Beitrag von mir (zum C-Thema…), siehe https://www.folker.de/ausgaben/202005/index.php.

Noch ein Buchtipp: ein schönes Dokument seiner Buchliebhaberei – hier der Bibliothek Suhrkamp – hat Jochen Knoblauch vorgelegt: https://www.ziegelbrenner.com/produkt/zwischenbilanz-der-elendigen-buechersammelei-namentlich-der-bibliothek-suhrkamp/.

Den Medien entnahm ich, dass ich nicht der Einzige bin, der „Lesezeichen“ – im umfassenden Sinn – sammelt: https://rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/stadtteile/flingern/was-menschen-in-buechern-hinterlassen_aid-21531027. Über entsprechende Fundstücke von Euch, gerne auch mit den zugehörigen Geschichten versehen, freue ich mich sehr. Wer weiß, vielleicht mache ich auch mal ein Büchlein daraus.

Es gibt sie noch, die guten Buchläden, die auf interessierte LeserInnen warten. Eine – subjektive – Auswahl hat der Packpapier Verlag auf seiner Seite veröffentlicht, siehe https://www.packpapierverlag.de/?page_id=2056.

Lebt & lest schön!

Es grüßt

Der Ziegelbrenner

www.ziegelbrenner.com

info@ziegelbrenner.com